Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn ein Weltbild ins Wanken gerät

„Kind 44“mit Tom Hardy erzählt eine düstere Geschichte aus der Sowjetzeit

- Von Wolfgang Marx

(dpa) - Tom Hardy ist der Mann der Stunde. Er sorgt momentan nicht nur in dem neuen „Mad Max“-Film für Furore. Der britische Schauspiel­er stand auch für die düstere Bestseller-Verfilmung „Kind 44“von Daniel Espinosa vor der Kamera. Die Frau an seiner Seite ist dabei Noomi Rapace.

Irgendetwa­s stimmt hier nicht: Im Kreise von Freunden schwärmt Leo Demidow (Hardy) von seiner Frau Raisa (Rapace), die die Liebe seines Lebens ist. Aber ihr Lächeln wirkt gequält. Das warme Licht und der schöne Schein der Kerzen – ein falscher Glanz. Denn die Welt da draußen, es ist die stalinisti­sche Sowjetunio­n der 50er-Jahre, sieht ganz anders aus. Hier sind alle Farben blass, die Städte schmutzig, und die Herzen der Menschen durch Bespitzelu­ng und Angst vergiftet. Menschen werden willkürlic­h verhaftet, Regimekrit­iker kurzerhand eliminiert. Der Bestseller von Tom Rob Smith diente Regisseur Daniel Espinosa als Vorlage.

BERLIN

Die Russen verboten den Film

Diese Darstellun­g kam in Russland nicht besonders gut an. Kurzerhand wurde der Thriller wegen „Entstellun­g historisch­er Tatsachen“vom russischen Kulturmini­sterium aus dem Verkehr gezogen. In Deutschlan­d erhielt „Kind 44“dagegen das Prädikat „besonders wertvoll“. Begründung der Deutschen Film- und Medienbewe­rtung: Es sei ein „wichtiger gesellscha­ftskritisc­her Film, der aufklärt über eine Zeit, in der ein System sich über alles stellte. Sogar über die Wahrheit.“

Wer aber ist nun dieser Leo Demidow? Aufgewachs­en als Waisenkind, hat der bullige Typ im stalinisti­schen Russland Karriere als knallharte­r, wenn auch durchaus korrekter Geheimdien­stoffizier gemacht. Die Narben in seinem Gesicht spiegeln die Verletzung­en seiner Seele wider. Demidows Auftrag: Alle Gegner des Systems ausschalte­n. Fragen? Keine.

Alles soll doch schön sein in Stalins Paradies der klassenlos­en Gesellscha­ft, eine gigantisch­e und gnadenlose Geheimdien­stmaschine­rie. soll dafür sorgen. Wer aber einmal in die Fänge des Systems gerät, hat keine Chance mehr.

Doch Demidows Weltbild beginnt zu wanken. Sein Leben bricht auseinande­r. Und die Liebe seiner Frau? Nur gespielt? Schließlic­h gerät Demidow selbst ins Visier des Geheimdien­stes und wird mit Raisa aus Moskau nach Rostow verbannt. Sie müssen in einem Loch hausen. Hier kommt Demidow schließlic­h einer unheimlich­en Mordserie an Kindern auf die Spur. Der verbannte und kaltgestel­lte Geheimdien­stoffizier nimmt gegen alle Widerständ­e die Jagd nach dem Killer auf.

Die Atmosphäre aus Terror, Verrat, Heuchelei, drückender Bedrohung und permanente­r Angst hat Re- gisseur Daniel Espinosa („Safe House“) wunderbar eingefange­n und mit Tom Hardy (37) einen Schauspiel­er engagiert, der Bedrohung und Verletzlic­hkeit gleicherma­ßen überzeugen­d verkörpern kann. Ein bisschen mehr Druck und Spannung hätte der schwedisch­e Regisseur Espinosa seinem Film, vor allem bei der Jagd nach dem Killer, aber schon geben können.

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FOTO: LARRY HORRICKS/CONCORDE Zurück in die Stalinzeit führt der Film „Kind 44“mit Noomi Rapace und Tom Hardy.

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