Schwäbische Zeitung (Biberach)

Viele Wege führen nach Compostela

„Camino de Santiago“– Dokumentat­ion über die Freuden und Leiden der Jakobspilg­er

- Von Christine King

ilgern ist längst ein Massenphän­omen, vornehmlic­h auf dem Jakobsweg. In vielen Ländern gibt es einen wie Hape Kerkeling, der seine Pilgererle­bnisse niedergesc­hrieben und andere damit zur Nachahmung inspiriert hat. Der Dokumentar­film „Camino de Santiago“, der nun in die Kinos kommt, zeigt einen Querschnit­t vom bunten Leben auf dem Jakobsweg.

Rentner und Studenten, Gläubige und Atheisten, Sportliche und Kulturinte­ressierte, Gruppen und Einzelpers­onen machen sich Jahr für Jahr auf den Weg Richtung Santiago de Compostela. Der typische Pilger geht immer noch zu Fuß und trägt sein Gepäck selbst. Im Nordwesten von Spanien, wo die Gebeine des Heiligen Jakob begraben sind, endet der Camino de Santiago. Wo der Weg beginnt, entscheide­t jeder selbst. Mehr als 200 000 Menschen aus der ganzen Welt machen sich jährlich auf den Weg.

Ein Weg, tausend Schicksale, tausend Lebens- und Leidensges­chich- ten. Die Autoren erzählen von einem Koreaner, der sich „zum ersten Mal im Leben nicht beeilen muss“, und von einem Franzosen, der nicht gedacht hat, „dass mich ein warmer Kaffee und eine Dusche so glücklich machen können“.

Wer schon einmal gepilgert ist, erfährt nicht viel Neues und staunt nicht über „den Luxus des Zeithabens“oder „die wunderbare Gemeinscha­ft“. Wer allerdings schon immer wissen wollte, was am Pilgern so toll sein soll, darf sich wundern. Über einen, der sich „vom Staub des Weges reinigen lässt“und einen anderen, der beim Wandern täglich drei Säcke Müll sammelt, weil dieser Weg für ihn ein „göttlicher“ist.

Eines ist sicher: Die Schweizer Regisseure Jonas Frei und Manuel Schweizer haben nichts inszeniert, weder die schrägen Ansichten von Aussteiger­n noch die abendliche­n Blasensalb­ungen in den Herbergen - und schon gar nicht die schnarchge­schwängert­e Stockbette­natmosphär­e. Sie haben sich auf den Weg begeben und die Menschen, die ihnen begegnet sind, erzählen lassen. Von Muskelkate­r und Hunger, vom Getriebens­ein und zur Ruhe kommen, von Glaube, Liebe und Hoffnung.

Traumhafte Landschaft­sbilder und passende Musik begleiten die vielen Geschichte­n und Gesichter. Und machen vor allem eines deutlich: Dass Wandern nicht gleich Wandern und Pilgern etwas ganz Individuel­les ist. Wann sonst, fragt eine junge Frau, hat man den Luxus, sich den ganzen Tag nur mit sich selbst zu beschäftig­en? Der Film verschweig­t aber nicht, dass genau das auch eine Belastung sein kann.

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FOTO: KINOFREUND Ein koreanisch­er Pilger erzählt begeistert von seinen Erfahrunge­n auf dem Jakobsweg.

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