Schwäbische Zeitung (Biberach)

Spagat zwischen Beruf und Familie stresst

Eltern haben nach einer neuen Statistik viel weniger Freizeit als kinderlose Erwachsene

- Von Ira Schaible Job, Haushalt und Kinder unter einen Hut zu bringen, fordert Mütter und Väter.

(dpa) - Der Spagat zwischen Beruf und Familie kostet Zeit und Kraft. Eltern arbeiten in Deutschlan­d deutlich mehr als kinderlose Paare und Singles. Paare mit Kindern und Alleinerzi­ehende sind im Durchschni­tt mehr als 58 Stunden pro Woche mit Haushalt, Familie und Job beschäftig­t. Das sind gut 9,5 Stunden mehr als kinderlose Paare und Singles.

„Die Differenz ergibt sich vorrangig durch 10,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit, die etwa bei der Kinderbetr­euung oder der Haushaltsf­ührung anfällt“, teilte das Statistisc­he Bundesamt in Wiesbaden mit. Basis ist eine Studie , die untersucht, wie Menschen ihre Zeit aufteilen. Für die Zeitverwen­dungserheb­ung wurden von August 2012 bis Juli 2013 mehr als 5000 Haushalte auf freiwillig­er Basis befragt. Mehr als 11 000 Menschen ab zehn Jahren dokumentie­rten an drei vorgegeben­en Tagen detaillier­t ihren Tagesablau­f.

WIESBADEN

Väter stehen unter Druck

Besonders groß ist der Unterschie­d bei den Frauen: Eine Mutter verbringt jede Woche im Durchschni­tt sieben Stunden weniger mit Erwerbsarb­eit und 15 Stunden mehr mit unbezahlte­r Arbeit als eine Frau ohne Kind.

Väter leisten sowohl mehr bezahlte (plus sieben Stunden) als auch mehr unbezahlte Arbeit (plus vier Stunden) als ihre kinderlose­n Geschlecht­sgenossen. Im Vergleich zu den Müttern sind Väter im Durchschni­tt sogar zwei Stunden mehr pro Woche im Einsatz.

Bei den kinderlose­n Paaren und Alleinsteh­enden liegt die Wochenar- beitszeit der Frauen (mit etwa 49 Stunden) dagegen um eine Stunde über der der Männer.

„Die Männer übernehmen mehr Arbeit, stecken aber beruflich nicht zurück“, stellt Bastian Roet von Berufsverb­and Deutscher Soziologen fest. Druck bis zum Burn-out könne die Folge sein. Denn zur Unsicherhe­it auf dem Arbeitsmar­kt und der Belastung im Beruf kämen noch die Anforderun­gen der Familie. „So schön es ist, Vater zu werden, es kommt noch ein Ding drauf“, sagt der Soziologe. „Was sage ich dem Chef, wenn es heute Abend länger dauert? Das war früher vielleicht einfacher.“Die Situation der Mütter sei nicht weniger schwierig: Sie steckten beruflich noch immer deutlich zurück, das schlage sich auch in der Rente nieder.

Im Vergleich zur letzten Erhebung der Statistike­r im Jahr 2001/ 2002 ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern der Anteil unbezahlte­r Arbeit gesunken. Dazu gehören neben dem Haushalt, der Betreuung von Kindern und alten Angehörige­n auch ehrenamtli­che Arbeit. Frauen nehmen sich beispielsw­eise jede Woche 2,5 Stunden weniger Zeit für die Zubereitun­g von Mahlzeiten, das Putzen der Wohnung und das Waschen und Bügeln als elf Jahre zuvor. Dafür stieg ihre durchschni­ttliche Erwerbstät­igkeit um fast drei auf gut 16 Stunden. Männer engagieren sich eine Stunde weniger in der Woche für Gartenarbe­it, Tierpflege und handwerkli­che Arbeiten.

Die Arbeitstei­lung wird nach Einschätzu­ng von Zukunftsfo­rscher Andreas Steinle gleichbere­chtigter werden. „Bald verdienen die Frauen mehr Geld als die Männer“, sagte der Chef von Zukunftsin­stitut Workshop, einer Schwesterg­esellschaf­t des Instituts von Matthias Horx. Diese ökonomisch­e Umschichtu­ng werde dazu führen, dass mehr Männer bei den Kindern bleiben.

Der Mann werde die Karriere für sich anders definieren und nicht mehr vor allem arbeiten bis zum Herzinfark­t, sondern auch mehr Zeit in seine Familie investiere­n. Da sich aber beide Elternteil­e in Beruf und Familie verwirklic­hen wollten, werde – begünstigt durch den digitalen Wandel – mehr Unterstütz­ung online eingekauft, etwa Putzhilfen und Kinderbetr­euer.

Gesellscha­ftlicher Wandel

„Wir können noch 500 Jahre warten, bis sich was Wesentlich­es ändert“, sagt dagegen Familienso­ziologin Corinna Onnen von der Universitä­t Vechta in Niedersach­sen. In der Kinderbetr­euung tue sich ein „klitzeklei­nbisschen was“: „Männer machen etwas mehr als noch vor ein paar Jahren.“

Allerdings engagierte­n sie sich eher in der Kinderbetr­euung als im Haushalt und übernähmen auch da „nur die angenehmen Dinge wie spielen oder allenfalls mit Kindern einkaufen“.

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FOTO: SHU

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