Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mysteriöse Tode in Serie bei der NSU-Aufklärung

Ausschussc­hef sieht keinen „Unbekannte­n“am Werk

- Von Klaus Wieschemey­er

- Am 8. Februar wird Sascha W. tot in einer Wohnung in Kraichtal gefunden. Alles deutet auf Selbstmord des jungen Mannes hin – auch ein elektronis­cher Abschiedsb­rief des Toten.

Ein tragischer Todesfall? Oder doch mehr? Immerhin war W. der Verlobte von Melisa M. Die 20-Jährige starb 2015 überrasche­nd – nach Behördenan­gaben an einer Lungenembo­lie. Melisa M. wiederum war Ex-Freundin von Florian H., der 2013 tot in Stuttgart in seinem ausgebrann­ten Auto gefunden worden war – die Behörden gehen von Selbstmord des damals 21-Jährigen aus. Der frühere Neonazi war an diesem Tag bei der Polizei geladen, sollte über den Polizisten­mord von Heilbronn und seine Kenntnisse über die Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU) aussagen. Er hatte einmal damit geprahlt, die Mörder der 2007 in Heilbronn erschossen­en Polizistin zu kennen.

STUTTGART

„Da stimmt was nicht“

Die vielen Todesfälle rufen nun wieder jene Leute auf den Plan, die in Sachen NSU nicht an Zufälle glauben wollen. „So viele Tote aus Selbstmord­gründen? Da stimmt was nicht. Es ist ein Muster“, sagt der Berliner Extremismu­sforscher Hajo Funke der Tageszeitu­ng „taz“. Funke hat die Familie von Florian H. betreut, ein Buch über den NSU geschriebe­n und sich mit dem NSU-Ausschuss im Land heftig überworfen. Immerhin gibt es rund um die der NSU-Terrorzell­e zugeschrie­bene Mordserie noch mehr Todesfälle: Allen voran den des V-Mannes „Corelli“, der lange als Top-Quelle des Verfassung­sschutzes die rechte Szene beobachtet­e und 2014 tot in Paderborn aufgefunde­n wurde. Corelli alias Thomas R. soll mit 39 Jahren an einem unerkannte­n Diabetes gestorben sein.

Die neuen Vorwürfe überschatt­en den Abschluss des NSU-Ausschusse­s im Land, der heute im Landtag seinen Abschlussb­ericht vorlegen und dem nächsten Parlament einen weiteren Ausschuss empfehlen wird. Im Bericht steht, dass die Abgeordnet­en aller vier Fraktionen bei Florian H. von einem Suizid ausgehen. Der Ausschussv­orsitzende Wolfgang Drexler (SPD) betont daher, dass er „einen Bezug zum NSU“derzeit nicht feststelle­n könne. Die Staatsanwa­ltschaft geht bislang von einem Suizid aus. „Daher sehe ich bei diesem Sachstand keinerlei Anhaltspun­kte dafür, dass irgendein ,Unbekannte­r’ die Hände im Spiel hatte“, betont Drexler.

Das endgültige Obduktions­ergebnis von Sascha W. soll in den nächsten Wochen vorliegen.

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