Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bundeskanzlerin dämpft die Erwartungen
Von der europäischen Verteilung der Flüchtlinge ist vor dem EU-Treffen keine Rede mehr
nicht bereit sind. Doch genau diesen europäischen Verteilungsschlüssel wollte Merkel eigentlich auf dem EU-Gipfel erreichen.
Vorbei. Jetzt dämpft sie die Erwartungen. Bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag sagt die Kanzlerin, man mache sich lächerlich, wenn man Kontingente vereinbare, solange die 160 000 Flüchtlinge, die man bereits beschlossen hatte zu verteilen, nicht annähernd verteilt sind.
Merkel richtet deshalb das Augenmerk auf andere Ziele, wie den Schutz der EU-Außengrenzen. „Ich setze meine ganze Kraft darauf, dass sich der europäisch-türkische Ansatz durchsetzt“, betont sie. Das sei der Weg, so wiederholt sie im Bundestag, der zu gehen sei. Europa und die Türkei müssten die Lasten teilen.
Dauerhaft weniger Flüchtlinge gebe es nur „wenn wir dort ansetzen, wo die Ursachen sind“. Deshalb setzt die Kanzlerin auf das Welternährungsprogramm (WFP), damit niemand aus Hunger flieht, und sie fordert eine Flugverbotszone über Syrien, um einen Schutzbereich vor dem Krieg zu schaffen. Merkel hat jedoch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass es auch diesmal gelingt, dass Europa stärker aus der Krise herausgeht. Sahra Wagenknecht, die Linken-Fraktionschefin, sieht allerdings nur noch einen „europäischen Scherbenhaufen“und macht dafür die Arroganz Berlins, das Europa regieren wollte, mitverantwortlich.
CSU-Chef Horst Seehofer hatte vom Ausgang des Gipfels abhängig gemacht, ob er die Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage wegen Verstößen gegen geltendes Recht verklagen will. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann streut Salz in diese Wunden der Union, er nennt Seehofers Kritik an Merkel Unsinn.
Schwierigste Phase Europas
Oppermann spricht von der schwierigsten Phase der EU überhaupt, hält aber das Konzept der Bundesregierung für „immer noch richtig“. Auch wenn es diese Woche nur kleine Schritte gebe, werde durch nationale Alleingänge in Europa nichts besser.
Für Unions-Fraktionschef Volker Kauder ist 2016 das Schicksalsjahr für Europa „und für unser Land“. Er erinnert daran, dass man 70 Jahre ohne Krieg nicht den Nationalstaaten, sondern der Gemeinschaft der Europäer verdanke. „Wir sollten der Kanzlerin Erfolg wünschen“, sagt Kauder.