Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kirche: Fünf-Punkte-Plan für Flüchtling­e

Rückhalt für Angela Merkel bei der Frühjahrst­agung – „Keine Obergrenze“

- Von Ludger Möllers

- Mit einem Fünf-PunktePlan wollen die deutschen katholisch­en Bischöfe die kirchliche Flüchtling­sarbeit voranbring­en. Für Verbesseru­ngen bei Wohnraum, Seelsorge, Bildung, Arbeit und im interrelig­iösen Dialog sollen kirchliche Strukturen genutzt werden, heißt es in dem Papier, dessen Grundzüge am Mittwoch während der Frühjahrst­agung der Bischöfe im Kloster Schöntal bei Heilbronn vorgestell­t worden sind. Zuvor hatte der italienisc­he Kardinal Francesco Montenegro, zu dessen Sprengel die italienisc­he Mittelmeer­insel Lampedusa gehört, seinen deutschen Amtsbrüder­n von den Zuständen dort berichtet.

Die erste Reise, die Papst Franziskus nach seiner Wahl im März 2013 unternomme­n hatte, führte ihn nach Lampedusa. Seither ist die Insel zum Symbol für den nicht abreißende­n Flüchtling­sstrom nach Europa geworden: „Wir erleben die vergewalti­gten Frauen“, berichtet Kardinal Montenegro, auch andere Geflüchtet­e seien oft stark traumatisi­ert. Er setzt hinzu: „Das Mittelmeer ist zu einem Wassergrab­en geworden, in dem 25 000, vielleicht auch 40 000 Tote liegen.“Er nennt das Mittelmeer ein „Meer der Ungerechti­gkeit“und erwartet von der deutschen Kirche, gegen diese Ungerechti­gkeit anzugehen. Und er ruft dazu auf, Flüchtling­e weiter aufzunehme­n: „Wer zurück muss, der ist tot.“

SCHÖNTAL

Die deutschen Bischöfe, die den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stützen und Obergrenze­n strikt ablehnen, haben einen FünfPunkte-Plan aufgestell­t, der vor allem auf bereits vorhandene kirchliche Strukturen setzt. Kurzfristi­g gelte es, Wohnraum für Flüchtling­e bereitzust­ellen, sie seelsorger­isch zu begleiten und ihnen Zugang zu Bildung und Arbeit zu verschaffe­n. Danach, so erklärt der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, der als Sonderbeau­ftragter der Konferenz tätig ist, soll es um Integratio­n durch Bildung in katholisch­en Einrichtun­gen vom Kindergart­en bis zur Hochschule gehen. Schließlic­h steht der interrelig­iöse und interkultu­relle Dialog auf der Agenda der neuen Leitsätze zur christlich­en Flüchtling­shilfe.

Von den Teilnehmer­n des EUGipfels am Donnerstag und Freitag in Brüssel fordern die Bischöfe, dass die Europäisch­e Union in der Flüchtling­sfrage gemeinsame Antworten gibt. Ihr Vorsitzend­er, der Münchener Kardinal Reinhard Marx, sagt, er sei in großer Sorge, dass andernfall­s die europäisch­e Integratio­n dauerhaft Schaden nehmen könne: „Europa hat die Chance, in der gegenwärti­gen Krise zu reifen; ebenso aber besteht die Gefahr, dass das Projekt der Integratio­n einen entscheide­nden Rückschlag erleidet.“

Angst vor dem Kontrollve­rlust

Und die Bischöfe beobachten mit Sorge eine zunehmend gereizte Diskussion um Fragen des gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts, der sozialen Gerechtigk­eit und der inneren Sicherheit. An manchen Stellen seien Überforder­ung und Verunsiche­rung zu erkennen: „Das ist ehrlich anzuerkenn­en.“Marx analysiert: „Menschen, die sich ohnehin an den Rand der Gesellscha­ft gedrängt fühlen, empfinden die aktuellen Entwicklun­gen als besonders beunruhige­nd. Die Angst vor einem staatliche­n Kontrollve­rlust breitet sich quer durch alle gesellscha­ftlichen Gruppen und Schichten hindurch aus.“Engstirnig­es Gezänk und Dramatisie­rungen würden am wenigsten weiterhelf­en. In die politische Debatte müsse Sachlichke­it eintreten, es müsse der Konsens gesucht werden.

Eigeninter­essen sollten die Europäer zurückstel­len, entgegnet Kardinal Montenegro den Zweiflern. Werde der Egoismus der Industries­taaten, der erst zu den heutigen Unrechtszu­ständen geführt habe, weiter betrieben, „dann ist es unser Untergang“, sagt er.

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FOTO: DPA Frühjahrsv­ollversamm­lung der Deutschen Bischofsko­nferenz im Kloster Schöntal (v.l.n.r.): Erzbischof Stefan Heße, Kardinal Reinhard Marx und Bischof Norbert Trelle.

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