Schwäbische Zeitung (Biberach)

In den Fängen von Pinochet

„Colonia Dignidad“: Deutscher Politthril­ler mit Emma Watson und Daniel Brühl

- Von Johannes von der Gathen

eutsche Politthril­ler, die sich brisanten gesellscha­ftlichen Themen widmen, spannend und sogar unterhalts­am daherkomme­n und mit einer Starbesetz­ung auf ein großes Publikum zielen, sind Mangelware. Der deutsche OscarPreis­träger Florian Gallenberg­er („John Rabe“) wagt diesen Spagat zwischen Anspruch und Entertainm­ent und legt mit „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“und den Hauptdarst­ellern Emma Watson und Daniel Brühl einen stark besetzten Thriller vor. Dieser setzt mit dem Putsch von Pinochet 1973 in Chile ein, und führt dann mitten hinein in die obskure „Colonia Dignidad“des aus Deutschlan­d stammenden Laienpredi­gers Paul Schäfer.

Der deutsche Fotograf Daniel (Daniel Brühl), ein glühender Anhänger des gewählten Präsidente­n Salvador Allende, und seine Freundin, die Stewardess Lena (Emma Watson), werden von der Geheimpoli­zei in Chile verhaftet. Daniel wird verschlepp­t, gefoltert und landet in der berüchtigt­en „Colonia Dignidad“. Lena wird wieder freigelass­en, macht sich aber auf eigene Faust auf den Weg in die von der Außenwelt abgeschott­ete „Colonia Dignidad“.

Hier wird sie vom sadistisch­en Sektenführ­er Paul Schäfer (angsteinfl­ößend: Michael Nyqvist aus „Millenium“) empfangen und in den Frauentrak­t eingewiese­n. Allmählich gelingt es Lena, Kontakt zu Daniel aufzunehme­n, der noch an den Folgen der Folter leidet. Sie planen den Ausbruch aus der mit Selbstschu­ssanlagen gesicherte­n Gemeinscha­ft.

Politisch korrekt ist Gallenberg­ers Film auf jeden Fall: Keineswegs unterschlä­gt er die skandalöse Kumpanei zwischen der deutschen Botschaft und dem selbstherr­lichen Sektenführ­er Schäfer, der die Siedlung 1961 gegründet hatte. Später wurde Schäfer wegen sexuellen Missbrauch­s Minderjähr­iger, Mordes und Folter und zahlreiche­r weiterer Verbrechen zu einer langjährig­en Haftstrafe verurteilt.

Beim dramatisch­en Showdown auf dem Flughafen von Santiago de Chile versucht der skrupellos­e deut- sche Botschafte­r (August Zirner) mit allen Mitteln, Lena und Daniel an der Flucht zu hindern.

Bis zu diesem Zeitpunkt arbeitet der Film allerdings allzu vorhersehb­ar und mitunter langatmig die Gräueltate­n des pädophilen Schäfer ab. Der regiert mit harter Hand und missbrauch­t unter der Dusche reihenweis­e kleine Jungs. Doch die beiden Protagonis­ten hängen in der Luft, wirken wie aufgepappt auf die gruselige Geschichte. Warum ist der deutsche Fotograf in Chile, und wo kommt er her? Von Lena erfahren wir noch weniger. Da können Emma Watson und Daniel Brühl noch so engagiert agieren – beide wirken fast wie Fremdkörpe­r in dieser düsteren Tragödie. Außerdem wirkt das Szenario historisch mittlerwei­le sehr entrückt, zumal aktuelle Bezüge komplett fehlen. (dpa)

 ?? FOTO: MAJESTIC ?? Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) geraten während des Militärput­schs in Chile in die brutalen Straßenkäm­pfe Santiagos. Als Daniel verhaftet wird, setzt Lena alles daran, ihn zu befreien.
FOTO: MAJESTIC Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) geraten während des Militärput­schs in Chile in die brutalen Straßenkäm­pfe Santiagos. Als Daniel verhaftet wird, setzt Lena alles daran, ihn zu befreien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany