Schwäbische Zeitung (Biberach)
Plötzlich WM-Favoritin
Skeletonpilotin Tina Hermann geht in Igls als Weltcup-Führende und viermalige Saisonsiegerin an den Start
(SID/sz) - Ihren Aufstieg in die Weltspitze und den Kampf um WMGold hatte Tina Hermann nicht im Kopf, als sie sich erstmals kopfüber in den Eiskanal stürzte. 16 Jahre war sie damals alt, wollte Skeleton einfach mal ausprobieren – und verliebte sich dann doch in diesen waghalsigen Sport. „Mit dem Kopf voraus auf den Schlitten springen, dann mit 120 km/h so knapp über dem Eis – das ist Wahnsinn“, sagt Tina Hermann. „Danach war klar: Ich will da wieder runter, noch mal und noch mal.“
Also folgten unzählige Fahrten. Heute ist Tina Hermann 23 Jahre alt, sie ist das Gesicht des Generationswechsels im deutschen Skeletonsport – und diesen Freitag und Samstag Top-Favoritin auf den WM-Titel im österreichischen Igls. Tina Hermann wäre die erste deutsche Weltmeisterin seit Marion Thees 2011, noch vor einem Jahr war das unvorstellbar. Doch dieser Winter verläuft geradezu märchenhaft für die Bayerin.
Erst in der vergangenen Saison hatte Tina Hermann ihr Weltcup-De-
IGLS
büt gegeben, in acht Rennen schaffte sie eine Podestplatzierung. Seit Dezember geht es nun Schlag auf Schlag. Der erste Weltcup-Sieg in Winterberg war beachtlich, der am Königssee dito, die Erfolge auf den ÜberseeBahnen in Park City und Whistler waren echte Ausrufezeichen. Die Frau vom WSV Königssee, sie charakterisiert sich als „ehrgeizig, ordentlich, wissbegierig“, kommt als WeltcupFührende nach Igls, hat vier von sieben Rennen gewonnen. „Hätte mir je- mand all das vor der Saison gesagt, das hätte ich niemals geglaubt“, sagt sie. „Das kam alles sehr plötzlich.“
Und es schlägt sich deutlich im medialen Interesse nieder, vor der WM muss Tina Hermann viele Fragen beantworten. Für ihren Sport ist das ein gutes Zeichen. Hinter Rodeln und Bob ist Skeleton hierzulande die kleinste Nummer im Eiskanal, und um das zu ändern, sind deutsche Erfolge zwingend nötig. Hochdekorierte Athleten wie Frank Rommel, Mari- on Thees und Anja Huber-Selbach haben seit den Olympischen Spielen in Sotschi ihre Karrieren beendet, der nationale Verband BSD richtet längst alles auf Pyeongchang 2018 aus.
Vorab schon mal Bahnrekord
Vor allem durch Tina Hermann eröffnen sich nun – viel früher als erwartet – neue Möglichkeiten. Auch die 21-jährige Jacqueline Lölling, im vergangenen Jahr völlig überraschend Vizeweltmeisterin auf ihrer Heimbahn in Winterberg, überzeugte in dieser Saison. Bei den Männern kann zudem Axel Jungk (Oberbärenburg/24 Jahre) von Donnerstag an auf eine Medaille hoffen. Die Konkurrenz um Seriensieger Martins Dukurs (Lettland) ist allerdings stark.
Auch Tina Hermann stapelt tief. „Igls ist eine sehr kurze Bahn, wo man die sprintstarken Schnellstarter erst mal einholen muss“, sagt die Bundespolizistin. Doch es sieht ganz gut aus: Im Rahmen der Team-WM am vergangenen Sonntag hat Tina Hermann gleich mal einen Bahnrekord gesetzt.