Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Liverpool – das größte Spiel unserer Geschichte“
Lindaus Oberbürgermeister Gerhard Ecker, Vorstandsmitglied des FC Augsburg, über den Höhenflug seines Klubs
- Im Hauptberuf ist Gerhard Ecker Politiker und Stadtoberhaupt. Doch der Oberbürgermeister von Lindau ist nicht nur Mitglied der SPD, sondern auch des FCA, des FC Augsburg. In der Freizeit gilt seine Leidenschaft dem Fußball. Ecker, in der Fuggerstadt geboren, aufgewachsen und später dort viele Jahre in der Verwaltung tätig, sitzt im Vereinsvorstand des Fußball-Bundesligisten. Geht es normalerweise bei den bayerischen Schwaben ruhig zu, herrscht dieser Tage „ein unglaublicher Hype“(Ecker). Kein Wunder, steht doch heute (21.05 Uhr/Sport1 und Sky) in der WWK-Arena ein außergewöhnliches Spiel an: In der ersten K.o.-Runde der Europa League empfängt der FCA den englischen Traditionsklub FC Liverpool. Vor der Partie sprach Jochen Schlosser mit Gerhard Ecker über seine Liebe zum FCA, Augsburgs Weg – und die Chancen gegen Liverpool.
LINDAU Herr Ecker, können Sie sich noch daran erinnern, wo Sie am 15. August 1973 waren?
(überlegt) Es könnte sein, dass ich da mit dem FC Augsburg auf irgendeinem Fußballturnier war ...
... oder vielleicht doch eher im Münchner Olympiastadion?
(lacht) Ja, klar! Wenn es jenes Spiel war, dann sind wir da über die Zäune gestiegen.
FCA-Vereinsidol Helmut Haller war zurück aus Italien, kurz davor war er noch mit Juventus Turin Meister geworden. Die Augsburger traten als Regionalliga-Aufsteiger beim ruhmreichen TSV 1860 an, das Olympiastadion war gerade ein Jahr alt – und über 90 000 Zuschauer sorgten für einen bis heute ungebrochenen Besucherrekord.
Und wir von der B-Jugend des FC Augsburg gehörten zu jenen, die – heute darf man es ja sagen – einfach über die Zäune geklettert sind. Es waren damals Tausende, die nach München gefahren sind und gedacht haben: Da bekommst du locker eine Karte. Aber wir haben keine Karte bekommen. Es war unwirklich – 90 000 Zuschauer in der Regionalliga Süd, bei einem Zweitliga-Spiel! Aber wir hatten ja Anfang der 70erJahre auch einen Hype – mit Haller, mit Klaus Vöhringer, mit Wolfgang Haug und wie sie alle hießen. Für uns war es damals übrigens ein Highlight, dass wir vor den Heimspielen der 1. Mannschaft mit der B-Jugend Vorspiele im Rosenaustadion bestreiten durften, vor 10 000 oder 15 000 Zuschauern gegen die Stuttgarter Kickers oder Darmstadt 98.
Sie sind Ihrem Verein treu geblieben. Aus dem Mittelfeldspieler ist erst ein Aufsichtsrat und nun ein Vorstandsmitglied geworden. Allerdings sind Sie dort quasi der „unsichtbare Dritte“. Auf der Homepage des FC Augsburg fehlt über Ihrem Namen das Foto ...
... und das ist mir egal wie noch mal was! Wichtig ist, dass wir unseren Verein weiter so gut voranbringen wie in den vergangenen Jahren. Dass ich hierzu einen kleinen Beitrag leisten kann, das ist entscheidend.
Und welches Aufgabengebiet haben Sie im Vorstand des Stammvereins, des FC Augsburg e.V.?
Wie bei den meisten BundesligaKlubs sind wir, im Gegensatz zu Leverkusen, Hoffenheim oder Wolfsburg, keine Werksmannschaft, sondern relativ organisch gewachsen: Wir haben den Verein, die ausgegliederte Lizenzspielermannschaft, also die KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien, die Red.) und unser Stadionprojekt. Ich hatte als Aufsichtsrat eine gewisse Aufsichtsfunktion und jetzt als Vorstandsmitglied ebenfalls – und zwar über ein Umsatzvolumen von 50, 60 Millionen Euro im Jahr. Bei den wesentlichen strategischen Entscheidungen sitze ich mit am Tisch und weiß, was läuft – und wie es läuft.
Sind Sie vor allem als Finanzexperte aus der Politik gefragt?
Genau, aber auch mein Blick als Jurist ist wichtig. Nachdem weder Vorstandschef Klaus Hofmann, noch mein Vorstandskollege Jakob Geyer oder die anderen Aufsichtsräte Juris- ten sind, ist es gut, dass da einer sitzt und sagt: Da müssen wir jetzt einen Rechtsanwalt draufschauen lassen. Das hat sich über die Jahre aufgebaut: Wie jeder andere Kollege seinen Sachverstand einbringt, bringe ich meinen ein. Mit dem Tagesgeschäft, den Spielern des Profiteams oder den Transfers, hat das nichts zu tun. Das ist Sache unseres Trainers Markus Weinzierl, des Managers Stefan Reuter und des Vereinsvorsitzenden Klaus Hofmann.
Das klingt alles sehr unaufgeregt. Nun jedoch trifft der immer so ruhig wirkende FC Augsburg, der vor nicht allzu langer Zeit noch in der Bayernliga spielte, auf den legendären FC Liverpool ...
Liverpool – das ist das größte Spiel unserer Geschichte! Es gibt den FCA zwar schon seit 109 Jahren, aber wir waren zuvor noch nie in einem internationalen Wettbewerb dabei. Das ist, nach dem Bundesliga-Aufstieg 2011 und dem Klassenerhalt, nochmals eine Steigerung. Und dann auch noch gegen den Verein aus der Mutterstadt des Fußballs! Und dann kommt auch noch Jürgen Klopp dazu! Das ist alles ein riesiger Hype, weil es die klassische Geschichte ist: Ein Kleiner schafft es durch Glück und Geschick, sich mit einem der Größten zu messen.
Und wie ist dieser Erfolg zu erklären? Manager Reuter sagt immer wieder, der FCA verfüge über den drittkleinsten Etat der Bundesliga.
Walther Seinsch (Investor und FCAKlubchef bis 2014, die Red.) war der entscheidende Mann! Er war zuvor in Gelsenkirchen und in Reutlingen, wo das alles nicht geklappt hat. Als er im Jahr 2000 kam, war der Verein überschuldet. Seinsch hat dann klar gesagt: „Ich entschulde euch, aber ich habe große Ziele: Ich will in die Bundesliga, drunter mache ich es nicht.“Und er wollte den Stadionneubau. Woanders und mit anderen Personen hätte man vielleicht gesagt: Der ist verrückt! Aber in Augsburg hieß es: Fangen wir mal an! Er hat als knallharter Geschäftsmann Schuldenschnitte erreicht und ist dann in dieses Geschäft, anders kann man es nicht nennen, mit seinem Risikokapital gegangen. Dann hatten wir mit den Trainern und später den Managern Glück – von Rainer Hörgl über das Team Jos Luhukay und Andreas Rettig bis zum aktuellen Duo Weinzierl/Reuter. Es war immer zur richtigen Zeit der richtige Mann am richtigen Ort.
Gerhard Ecker
Der Erfolg hat also auch mit glücklichen Fügungen zu tun?
Natürlich! Wir hätten ja auch immer wieder scheitern können. Seinsch hatte einen Masterplan, und unser Bundesliga-Aufstieg kam demnach eigentlich zwei Jahre zu spät. Er musste immer wieder Geld nachschieben. Dennoch hat er durchgehalten bis zur ersten Liga. Und selbst dann hatten wir zweimal Glück, dass wir nicht wieder abgestiegen sind.
Bei anderen Klubs wäre da allerdings der Trainer längst gefeuert gewesen. Der FCA hat trotz lang anhaltender Misserfolgsserien an Markus Weinzierl festgehalten.
Ja, und dies ist auch den Vorsitzenden zu verdanken: Zunächst Seinsch und jetzt eben Klaus Hofmann. Er führt dieses Projekt stringent auf seine Art weiter. Er ist ebenso fußballverrückt und er tickt auch als Unternehmer ähnlich wie Seinsch. Wir haben jemanden mit seinem Risikokapital drin, der ruhig bleibt. Außerdem haben es alle Personen, die in diesem Verein etwas zu sagen haben, nicht nötig, irgendetwas öffentlich auszutragen. Wir kennen uns alle seit zwölf Jahren, da ist außer Gerhard Wiedemann (Aufsichtsrat seit 2010, die Red.), kaum einer dazugekommen. Wir haben eine Kultur, nicht uns in den Vordergrund zu rücken, sondern den Verein. Bei uns herrscht eine für diese Branche untypische Unaufgeregtheit, auch wenn der Erfolg einmal ausbleibt – und das trifft ja jeden Verein, der nicht FC Bayern heißt.
„Bei uns herrscht eine für diese Branche
untypische Unaufgeregtheit.“
Dass ein umworbener Coach wie Markus Weinzierl seinen Vertrag dennoch bis 2019 verlängert hat, könnte auch damit zu tun haben.
Natürlich, so habe ich das verstanden – und es gilt auch für Manager Stefan Reuter, der sogar bis 2020 bleiben will.
Dennoch wird Weinzierl nicht ewig zu halten sein ...
Wenn irgendwann ein größerer Verein kommt, der Champions-LeagueAmbitionen hat – und dazu zählen in Deutschland eben bestenfalls vier, fünf Vereine –, dann würden wir ihm diese Chance gewiss nicht verbauen. Wir bräuchten halt wieder einen Trainer, der in dieses System passt, aber vorerst hat Weinzierl seinen Vertrag ja bis 2019 verlängert.
Außerdem sind Spiele wie jene gegen Liverpool ja nicht unattraktiv.
Dass wir jetzt diese Erfolge in der Europa League feiern, das ist das Sahnehäubchen.
Und das Weiterkommen gegen den FC Liverpool wäre die Kirsche obendrauf. Was ist drin gegen die Engländer?
Wer hätte vor dem letzten Vorrunden-Spiel in Belgrad noch einen Pfifferling auf uns gesetzt? Niemand! Es ist immer bis zur letzten Minute alles möglich – auch gegen den FC Liverpool. Das ist der Reiz des Fußballs.