Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein gefährlich lebender Oberhirte unter Freunden
Amazonas-Bischof Erwin Kräutler stellt in seiner Vorarlberger Heimatgemeinde Koblach sein jüngstes Buch vor
schutz. Die Regenwald-Mafia Brasiliens bewegt sich kaum zwischen Alpenrhein und Bregenzer Wald. Koblach ist für ihn aber mehr als Freundesland. Hier wurde er geboren. In Koblach ist er daheim. Verwandtschaft lebt vor Ort. „Unser Bischof“, flüstert eine ältere Dame, als Kräutler so unauffällig wie schlicht gekleidet den Saal betritt.
Sein „Grüße euch“kommt ihm im ortlichen schweren alemannischen Dialekt über die Lippen. Ihn wird er den ganzen Abend beibehalten. Man ist unter sich. Jeder spricht so. Kräutler erklärt den Titel seines Buchs. Er beziehe sich auf Papst Franziskus. Dieser hatte 2013 vor Ordensvertretern in Südamerika eine solche Forderung geäußert. Die katholische Kirche sollte Neues wagen, sollte auf die Menschen zugehen und vor allem Arme im Blick haben.
Kräutler sieht in Franziskus einen Gleichgesinnten. Beide wurden von südamerikanischen Verhältnissen geprägt. Ihnen sind die Inhalte der Befreiungstheologie nicht fremd. Der Papst stammt aus Argentinien. Kräutler traf 1965 im brasilianischen Amazonas-Gebiet als Missionar vom Kostbaren Blut ein. 1981 wurde er Nachfolger seines Onkels Erich Kräutler als Bischof von Xingu. Sein Engagement für die einfachen Leute im Amazonas-Gebiet verschaffte ihm mächtige Feinde. 1987 überlebte er schwer verletzt ein Attentat. Mehrere seiner Mitarbeiter starben durch Mörderhand.
Neue Morddrohungen
Zuletzt hat Kräutler den Kampf gegen das riesige Staudammprojekt Belo Monte aufgenommen. Dies brachte ihm einerseits weitere internationale Anerkennung ein, so 2010 den alternativen Nobelpreis. Es gab aber auch weitere Morddrohungen.
Die Gefahr sollte aber nicht Thema des Koblacher Abends sein. Sie ist auch nicht Inhalt seines Buchs. Darin geht es um Friede und Brüderlichkeit. Kräutler will weg von eingefahrenen Hierarchien. Dies sei eine „besondere Herausforderung“für die Kirche, sagt der Bischof mit zusammengekniffenen Augen. Die Geistlichkeit müsse „herunter vom hohen Ross“. Ihm ist klar, dass er sich damit selbst in den eigenen Kreisen weitere Feinde macht.
Auch seine Forderung, Frauen der Eucharistie vorstehen zu lassen, dürfte bei vielen seiner geistlichen Kollegen auf Ablehnung stoßen. In diesem Punkt kann Kräutler noch nicht einmal auf eine gewisse Nähe zu päpstlichen Einstellungen verweisen. Franziskus denkt bei diesem Thema eher traditionell. Kräutler blickt aber konzentriert auf örtliche Zustände. So würden inzwischen zwei Drittel aller Gemeinden in der Diözese Xingu von Frauen geleitet. Priester für die Seelsorge gibt es nur wenige.
Wie es konkret mit dem Bistum weitergeht, obliegt aber nicht mehr seiner Verantwortung. Altershalber hat Kräutler seinen Rücktritt eingereicht. Kurz vor Weihnachten wurde er vom Papst angenommen. Ab dem 3. April gibt es einen neuen Bischof für Xingu. Kräutler will künftig teils in Brasilien, teils in Österreich leben. Zu seiner Koblacher Fangemeinde sagt er salopp, dann sehe man sich wieder öfter. Womit er Lacher und Beifall auf seiner Seite hat.