Schwäbische Zeitung (Biberach)
Feilschen vor dem Atomausstieg
Für die Steuerzahler wird ein Milliarden-Risiko bleiben
- Der Atomausstieg schreitet voran: 2022 soll das letzte Kernkraftwerk vom Netz genommen werden. Doch die Finanzierung der Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischenund Endlagerung atomarer Abfälle ist noch nicht geklärt. Für die Steuerzahler wird ein Milliarden-Risiko bleiben. Die Rückstellungen der Konzerne dürften nicht ausreichen, um die Risiken abzudecken. Eine Kommission unter Leitung des früheren Bundesumweltministers Jürgen Trittin (Grüne) macht Lösungsvorschläge. Rasmus Buchsteiner erläutert Hintergründe zu den Kosten des Atomausstiegs und den Rückstellungen der Konzerne.
BERLIN
Wie sieht der Zeitplan für den Atomausstieg aus?
Der letzte Atommeiler soll 2022 vom Netz gehen. Danach geht es um den Rückbau der Kraftwerke, die Verpackung und die Zwischenlagerung des Atommülls. Um das Jahr 2031 soll über den Standort für ein atomares Endlager entschieden werden, das dann im Jahr 2050 in Betrieb gehen würde. Der bereits erkundete Salzstock im niedersächsischen Gorleben kommt weiter in Frage. Es sollen aber noch Alternativstandorte untersucht werden. Die vom Bundestag eingesetzte Endlager-Kommission erarbeitet bis Ende April Kriterien für die weitere Standortsuche.
Warum besteht bei den Rückstellungen für den Atomausstieg jetzt Handlungsbedarf ?
„Ohne eine bessere Sicherung der Finanzen für die Entsorgung droht die teilweise oder gar vollständige Sozialisierung der Verluste“, heißt es im Entwurf des Abschlussberichts der 19-köpfigen Atomkommission. Hintergrund sind die wirtschaftlichen Probleme der Kraftwerksbetreiber. Die Konzerne haben es zunehmend schwer, sich Geld auf dem Kapitalmarkt zu besorgen – auch wegen der hohen finanziellen Risiken für die Entsorgung der atomaren Altlasten. Selbst eine Insolvenz scheint aus Expertensicht nicht ausgeschlossen.
Mit welchen Kosten wird gerechnet?
Die Kosten für den Atomausstieg werden (in Preisen von 2014) auf 48,8 Milliarden Euro geschätzt, darunter 19,7 Milliarden Euro für Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke, 5,6 Milliarden Euro für die Zwischenlagerung sowie 12,1 Milliarden Euro für Suche, Auswahl und Bau des Endlagers für hochradioaktiven Abfall. Unter Berücksichtigung der Inflation und möglicher Kostensteigerungen müsste bis zum Jahr 2099 eine Gesamtsumme von 169,8 Milliarden Euro abgedeckt werden. Die Rückstellungen der Konzerne betragen im Augenblick 38,3 Milliarden Euro. Bisher sind die Mittel allerdings noch nicht auf Konten hinterlegt, sondern stecken in Kraftwerken, Stromnetzen und Finanzprodukten.
Welches Modell schlägt die Kommission vor?
Die Kommission schlägt vor, dass Rückstellungen von 17,7 Milliarden Euro für Stilllegung und Rückbau bei den Konzernen verbleiben, dort besser gesichert werden und die Unternehmen die Haftung für Kostensteigerung übernehmen. Der Rest der Rückstellungen – 18 bis 20 Milliarden Euro – würde an den Staat verfließen, der das Geld ab 2022 in einem Fonds anlegen soll, um die Ausgaben für
- Auch beim badenwürttembergischen Energiekonzern EnBW bereitet man sich auf den Abschlussbericht der Atom-Kommission und seine Ergebnisse vor. „Wir beobachten die Arbeit der Kommission intensiv“, schreibt das Energieunternehmen mit Sitz in Karlsruhe auf Anfrage der Schwäbischen Zeitung. Man sei offen für Gespräche, die „zur Lösung der aktuell unbefriedigenden Situation und Rechtslage in Bezug auf die kurzfristige Finanzierung des KernenergieAusstiegs“führen können. Ob EnBW gar von der gemeinsam mit Eon und Vattenfall eingereichten Verfassungsbeschwerde absehen will, sagt der Konzern indes nicht.
RAVENSBURG
Zwischen- und Endlagerung zu bestreiten.
Welche Risiken kommen auf Staat und Steuerzahler zu?
Die Rückstellungen für Zwischenund Endlagerung dürften kaum ausreichen. Ab einem gewissen Zeitpunkt hätten Staat und Steuerzahler Kostensteigerungen bei der Endlagerung zu tragen. Die Last werde aber durch einen Risiko-Aufschlag für die Konzerne und durch eine zeitlich und in der Höhe begrenzte Nachhaftung gemindert, so die Kommission. Auf die Herausforderungen der Energiewende sei das Unternehmen jedenfalls gut vorbereitet. EnBW habe bereits 2013 seine Pläne daraufhin ausgerichtet, „mit klaren Zielen für 2020“. Seitdem habe man auch nicht mehr über Strategien und Strukturen diskutiert, sondern sich „ausschließlich auf die Umsetzung konzentriert“.
Einen gesamten Geschäftszweig ausgliedern – so wie der Essener