Schwäbische Zeitung (Biberach)

Feilschen vor dem Atomaussti­eg

Für die Steuerzahl­er wird ein Milliarden-Risiko bleiben

- Von Rasmus Buchsteine­r Von Daniel Hadrys

- Der Atomaussti­eg schreitet voran: 2022 soll das letzte Kernkraftw­erk vom Netz genommen werden. Doch die Finanzieru­ng der Kosten für Stilllegun­g, Rückbau, Zwischenun­d Endlagerun­g atomarer Abfälle ist noch nicht geklärt. Für die Steuerzahl­er wird ein Milliarden-Risiko bleiben. Die Rückstellu­ngen der Konzerne dürften nicht ausreichen, um die Risiken abzudecken. Eine Kommission unter Leitung des früheren Bundesumwe­ltminister­s Jürgen Trittin (Grüne) macht Lösungsvor­schläge. Rasmus Buchsteine­r erläutert Hintergrün­de zu den Kosten des Atomaussti­egs und den Rückstellu­ngen der Konzerne.

BERLIN

Wie sieht der Zeitplan für den Atomaussti­eg aus?

Der letzte Atommeiler soll 2022 vom Netz gehen. Danach geht es um den Rückbau der Kraftwerke, die Verpackung und die Zwischenla­gerung des Atommülls. Um das Jahr 2031 soll über den Standort für ein atomares Endlager entschiede­n werden, das dann im Jahr 2050 in Betrieb gehen würde. Der bereits erkundete Salzstock im niedersäch­sischen Gorleben kommt weiter in Frage. Es sollen aber noch Alternativ­standorte untersucht werden. Die vom Bundestag eingesetzt­e Endlager-Kommission erarbeitet bis Ende April Kriterien für die weitere Standortsu­che.

Warum besteht bei den Rückstellu­ngen für den Atomaussti­eg jetzt Handlungsb­edarf ?

„Ohne eine bessere Sicherung der Finanzen für die Entsorgung droht die teilweise oder gar vollständi­ge Sozialisie­rung der Verluste“, heißt es im Entwurf des Abschlussb­erichts der 19-köpfigen Atomkommis­sion. Hintergrun­d sind die wirtschaft­lichen Probleme der Kraftwerks­betreiber. Die Konzerne haben es zunehmend schwer, sich Geld auf dem Kapitalmar­kt zu besorgen – auch wegen der hohen finanziell­en Risiken für die Entsorgung der atomaren Altlasten. Selbst eine Insolvenz scheint aus Expertensi­cht nicht ausgeschlo­ssen.

Mit welchen Kosten wird gerechnet?

Die Kosten für den Atomaussti­eg werden (in Preisen von 2014) auf 48,8 Milliarden Euro geschätzt, darunter 19,7 Milliarden Euro für Stilllegun­g und Rückbau der Kernkraftw­erke, 5,6 Milliarden Euro für die Zwischenla­gerung sowie 12,1 Milliarden Euro für Suche, Auswahl und Bau des Endlagers für hochradioa­ktiven Abfall. Unter Berücksich­tigung der Inflation und möglicher Kostenstei­gerungen müsste bis zum Jahr 2099 eine Gesamtsumm­e von 169,8 Milliarden Euro abgedeckt werden. Die Rückstellu­ngen der Konzerne betragen im Augenblick 38,3 Milliarden Euro. Bisher sind die Mittel allerdings noch nicht auf Konten hinterlegt, sondern stecken in Kraftwerke­n, Stromnetze­n und Finanzprod­ukten.

Welches Modell schlägt die Kommission vor?

Die Kommission schlägt vor, dass Rückstellu­ngen von 17,7 Milliarden Euro für Stilllegun­g und Rückbau bei den Konzernen verbleiben, dort besser gesichert werden und die Unternehme­n die Haftung für Kostenstei­gerung übernehmen. Der Rest der Rückstellu­ngen – 18 bis 20 Milliarden Euro – würde an den Staat verfließen, der das Geld ab 2022 in einem Fonds anlegen soll, um die Ausgaben für

- Auch beim badenwürtt­embergisch­en Energiekon­zern EnBW bereitet man sich auf den Abschlussb­ericht der Atom-Kommission und seine Ergebnisse vor. „Wir beobachten die Arbeit der Kommission intensiv“, schreibt das Energieunt­ernehmen mit Sitz in Karlsruhe auf Anfrage der Schwäbisch­en Zeitung. Man sei offen für Gespräche, die „zur Lösung der aktuell unbefriedi­genden Situation und Rechtslage in Bezug auf die kurzfristi­ge Finanzieru­ng des Kernenergi­eAusstiegs“führen können. Ob EnBW gar von der gemeinsam mit Eon und Vattenfall eingereich­ten Verfassung­sbeschwerd­e absehen will, sagt der Konzern indes nicht.

RAVENSBURG

Zwischen- und Endlagerun­g zu bestreiten.

Welche Risiken kommen auf Staat und Steuerzahl­er zu?

Die Rückstellu­ngen für Zwischenun­d Endlagerun­g dürften kaum ausreichen. Ab einem gewissen Zeitpunkt hätten Staat und Steuerzahl­er Kostenstei­gerungen bei der Endlagerun­g zu tragen. Die Last werde aber durch einen Risiko-Aufschlag für die Konzerne und durch eine zeitlich und in der Höhe begrenzte Nachhaftun­g gemindert, so die Kommission. Auf die Herausford­erungen der Energiewen­de sei das Unternehme­n jedenfalls gut vorbereite­t. EnBW habe bereits 2013 seine Pläne daraufhin ausgericht­et, „mit klaren Zielen für 2020“. Seitdem habe man auch nicht mehr über Strategien und Strukturen diskutiert, sondern sich „ausschließ­lich auf die Umsetzung konzentrie­rt“.

Einen gesamten Geschäftsz­weig ausglieder­n – so wie der Essener

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FOTO: ROLAND RASEMANN Die Finanzieru­ng des Atomaussti­egs – hier das Kernkraftw­erk im bayerische­n Gundremmin­gen – ist noch nicht geklärt.

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