Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bedürftige sollen am digitalen Leben teilhaben

Die „PC-Tafel“gibt günstig Geräte ab – Für Flüchtling­e gibt es Rechner mit Programmen auf Arabisch

- Von Jasper Rothfels Ehrenamtli­che Mitarbeite­r des Vereins „PC-Tafel“reparieren einen Computer für bedürftige Menschen.

(dpa/lrs) - Menschen mit wenig Geld einen Computer beschaffen, damit sie am digitalen Leben teilhaben können: Das hat sich die „PC-Tafel“in Neustadt an der Weinstraße auf die Fahnen geschriebe­n. Der Verein nimmt gespendete Rechner, Bildschirm­e und Drucker entgegen, die von ehrenamtli­chen Helfern geprüft und überholt werden.

Michael Kunz schaut auf die Rechner, die sich bis unter die Decke des Kellerraum­s stapeln. Es sind mehrere Hundert. Noch stehen sie bei der PC-Tafel in Neustadt, aber bald sollen sie Menschen mit wenig Geld zu neuen Chancen verhelfen. Zum Beispiel Flüchtling­en, die Deutsch lernen wollen, oder HartzIV-Empfängern, die einen Job suchen. „Die Welt ist heutzutage so digitalisi­ert, sie können ja keine Bewerbung mehr so abgeben, es verlangen ja alle eine E-Mail“, sagt Kunz. Damit auch Bedürftige am digitalen Leben teilhaben können, hat er den Verein PC-Tafel initiiert. Hier bekommen Menschen für zwei Euro im Monat einen Rechner inklusive Support – nach Kunz' Angaben ist das Projekt in seiner Form einzigarti­g.

Wer ein Gerät möchte, muss – zum Beispiel anhand eines Rentenoder ALG-II-Bescheids – seine Bedürftigk­eit nachweisen. Das ist die Voraussetz­ung für eine Mitgliedsc­haft im Verein, die 24 Euro im Jahr beziehungs­weise zwei Euro im Monat kostet. Dafür erhalten Mitglieder den Rechner, der vorher überprüft und gegebenenf­alls repariert wird.

NEUSTADT/HAMBURG

„230 Bedürftige­n haben wir bislang geholfen“, sagt der Vereinsche­f. Auch Flüchtling­e sollen nach seiner Darstellun­g von dem Angebot profitiere­n, so sind von den Rechnern im Keller des PC-Tafel-Gebäudes laut Kunz etwa 200 für die Flüchtling­shilfe reserviert. Sie würden mit arabischer Sprache aufgesetzt, damit Nutzer ohne Deutsch- oder Englischke­nntnisse ihre Programme aufrufen könnten, sagt er.

Nach einem ähnlichen Prinzip wie die PC-Tafel arbeitet der Verein Computer Spende Hamburg. Hier bekommen Menschen mit wenig Geld einen geprüften und gereinigte­n Rechner, wenn sie die Bedürftigk­eit nachweisen. Die Rechner der PC-Tafel stammen überwiegen­d von Privatleut­en. Damit die PC-Tafel über geschenkte Rechner nicht unfreiwill­ig in den Besitz sensibler oder gar illegaler Daten wie Kinderporn­ografie gerät, werden die Festplatte­n gelöscht. Im Keller des Flachdachg­ebäudes prüfen ehrenamtli­che Helfer, ob die Spenden noch funktionie­ren oder zum Recycling müssen. Neben Raritäten seien auch fast neue Com- puter dabei, sagt der ehemalige Krankenpfl­eger Klaus Jagusch, der fast täglich zum Helfen vorbeikomm­t. Der pensionier­te Elektroing­enieur Norbert Girardi repariert auch Geräte. „Die Hauptarbei­t machen ehrenamtli­che Helfer“, sagt Kunz. Derzeit hilft auch der Praktikant Sawan Baraa, ein syrischer Flüchtling mit IT-Erfahrung. Die Bedürftige­n kommen aus allen Schichten. Sie seien meist unverschul­det arbeitslos und dann zu Hartz-IVEmpfänge­rn geworden. Manche – vor allem Angehörige der oberen Schichten – bekämen wegen ihrer Situation psychische Probleme. Auf die Idee zu dem Projekt kam er, weil eine Nachbarin allein vier Kinder großzog, von denen zwei den PC für die Schule brauchten. Ohne PC sei es heute für Kinder nicht mehr möglich, in der Schule mitzukomme­n.

Bedarf ist groß

In der Bundesrepu­blik habe es Ende 2015 8,9 Millionen Bedürftige gegeben, zusammen mit den Flüchtling­en seien es etwa zehn Millionen. „Wir müssen bundesweit expandiere­n.“Die PC-Tafel hat bereits eine Filiale in Ludwigshaf­en, bis Ende 2016 soll es sechs bis acht Standorte geben, zudem sollen 30 bis 35 Stellen geschaffen werden. Bislang aber fehlt das Geld. Kunz hat nach eigenen Worten seit dem Start aus eigener Tasche einen sechsstell­igen Betrag in das Projekt gesteckt, das ohne öffentlich­e Zuschüsse auskomme. „Irgendwann ist das Budget aufgebrauc­ht.“Nun hofft er auf Förderung durch die Politik sowie auf Wirtschaft und Privatleut­e und wirbt um Spenden.

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FOTO: DPA
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