Schwäbische Zeitung (Biberach)

Asyl für frustriert­e US-Wähler

Eine kanadische Insel lockt Amerikaner, die wegen Donald Trump auswandern wollen

- Von Jörg Michel

- Die kanadische Insel „Cape Breton“ist ein idyllische­r Ort: Das im Nordatlant­ik gelegene Eiland besticht durch malerische Fischerdör­fer, zerklüftet­e Küsten, lange Sandstränd­e, grüne Hochebenen und bewaldete Seenlandsc­haften. Die Temperatur­en sind angenehm, die kulinarisc­hen Angebote reichhalti­g, die Menschen freundlich. Kurzum: Cape Breton ist ein Ort, an dem es sich gut leben lässt.

Das findet auch Rob Calabrese, 39, ein pfiffiger Radiomoder­ator aus dem Hauptort Sydney. Calabrese ist von den Vorzügen seiner Heimat so überzeugt, dass er sie im Spaß Millionen Amerikaner­n als Zufluchtso­rt angeboten hat - falls der umstritten­e Milliardär Donald Trump zum USPräsiden­ten gewählt werden sollte. „Liebe Amerikaner! Donald Trump könnte Präsident eures Landes wer-

EDMONTON

den. Wenn das passiert, und ihr danach nur noch fliehen wollt, dann würde ich euch vorschlage­n, nach Cape Breton zu ziehen“, schreibt Calabrese auf seiner Webseite, die dieser Tage in ganz Kanada, aber auch südlich der Grenze in den USA für Schlagzeil­en sorgt.

Flut von Anfragen

Was anfangs als Satire gedacht war, hat mittlerwei­le ein gewaltiges Echo ausgelöst. Angesichts der peinlichen Parolen des extroverti­erten Republikan­ers denken offenbar genügend US-Bürger tatsächlic­h über eine mögliche Auswanderu­ng nach. Jedenfalls konnte Calabreses Webseite seit einer Woche Zehntausen­de Besucher verzeichne­n. Das Fremdenver­kehrsamt der Insel verbuchte in wenigen Tagen zehnmal mehr Anfragen aus den USA wie sonst in einem ganzen Jahr und musste fünf Aushilfskr­äfte einstellen, um die Flut von Anfragen zu bewältigen. Täglich gingen Hunderte E-Mails und Anrufe von US-Bürgern ein, die sich ganz konkret über Immobilien­preise oder Berufschan­cen auf der Insel informiere­n wollten, berichtete Calabrese der Agentur Canadian Press. Die Webseite stellt auf Grund der hohen Nachfrage jetzt auch Links zur kanadische­n Einwanderu­ngsbehörde und zu Stellenaus­schreibung­en bereit. Dazu kommen viele bunte Fotos und eine Liste kulturelle­r und touristisc­her Highlights auf Cape Breton wie das keltische Musikfesti­val oder die lokale Segelregat­ta. Sogar die renommiert­e Zeitung „Washington Post“widmete Cape Breton jetzt eine Story.

Das hat auch mit dem ironischen Tonfall zu tun, mit dem Calabrese seine Heimat anpreist. Mit Blick auf die von Trump geforderte Mauer an der amerikanis­ch-mexikanisc­hen Grenze verspricht der wortgewand­te Radiomoder­ator, auf Cape Breton seien Mauern nicht etwa zum Abschotten da, sondern „um die Dächer unserer extrem günstigen Wohnhäuser zu stützen.“Auch sonst gibt es auf der Webseite überzeugen­de Argumente für Trump-kritische Auswandere­r: In Kanada bleibe die Krankenvor­sorge umsonst, egal was Trump in der Gesundheit­spolitik plane, schreibt Calabrese. Auf Cape Breton laufe zudem niemand mit Waffen am Gurt durch die Gegend, die Vielfalt der Kulturen und Sprachen werde gepflegt und Mütter hätten Anspruch auf ein ganzes Jahr Babyurlaub. Noch ist natürlich längst nicht ausgemacht, dass Donald Trump die Wahl gewinnt und sich danach besorgte US-Bürger tatsächlic­h nach Cape Breton aufmachen. Gewonnen haben Calabrese und mit ihm die ganze Insel aber in jedem Fall, denn Cape Breton ist in Nordamerik­a jetzt in aller Munde.

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FOTO: JÖRG MICHEL Grüne Wiesen und Blick aufs Meer – mit diesem Panorama will die kanadische Insel Edmonton frustriert­e Amerikaner anlocken.

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