Schwäbische Zeitung (Biberach)

Migräneatt­acken über den Verstand verhindern

Biofeedbac­k arbeitet gezielt mit der Vorstellun­gskraft

- Von Eva Dignös

(dpa) - Es muss gar nicht das Bad im kalten See sein – schon der Gedanke an das Gefühl von eisigem Wasser auf der Haut verändert etwas im Körper: Die Blutgefäße ziehen sich zusammen, ganz so, als wenn man gerade tatsächlic­h mit kaltem Wasser in Kontakt gekommen wäre. Diesen Effekt macht sich das Biofeedbac­k zunutze.

„Beim Biofeedbac­k geht es darum, unwillkürl­iche Funktionen wie Herzschlag, Hauttemper­atur, Schweißbil­dung, Atmung oder Muskelakti­vität willentlic­h zu beeinfluss­en“, sagt Lothar Niepoth, Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Biofeedbac­k (DGBfb).

Eingesetzt wird die Methode etwa bei Spannungsk­opfschmerz­en und Migräne, Rückenschm­erzen oder chronische­n Muskelvers­pannungen meist im Rahmen von Verhaltens­therapien. „Es handelt sich um ein objektives Verfahren zur Messung, Verstärkun­g und Rückmeldun­g körperlich­er Signale“, sagt Peter Kropp, Vizepräsid­ent der Deutschen Migräneund Kopfschmer­zgesellsch­aft und Direktor des Instituts für Medizinisc­he Psychologi­e und Medizinisc­he Soziologie an der Universitä­t Rostock. Bei der Vorbeugung von Migräneatt­acken beispielsw­eise sei eine Therapie, die mit Biofeedbac­k arbeitet, genauso effektiv wie Medikament­e. Das Verfahren ist deshalb als Behandlung­soption in die Leitlinien aufgenomme­n worden.

Die Ursachen der Kopfschmer­zanfälle sind zwar noch nicht vollständi­g geklärt. Ein bekannter Faktor

MÜNCHEN

ist aber, dass sich bei vielen Betroffene­n die Arterie an der Schläfe kurz vor der Migräneatt­acke zunächst verengt und dann schlagarti­g wieder weitet. Bei der Biofeedbac­k-Behandlung misst ein Sensor dort den Blutfluss. Der Computer stellt das Ergebnis in einer Grafik dar. Zu sehen, was sich im Körper abspielt, ist der erste Schritt der Therapie. Dahinter steht die Idee: Was wahrnehmba­r ist, lässt sich auch verändern.

Es gibt keine Erfolgsgar­antie

Und dies einzuüben, ist der zweite Schritt. Der Patient versucht, die Gefäßweite per Vorstellun­gskraft zu beeinfluss­en. Das Bild auf dem Monitor gibt Rückmeldun­g, ob das gelingt. „Es gibt keine Strategie, die für alle Patienten passt. Da muss man einfach ausprobier­en, was funktionie­rt“, sagt Kropp. Eine Erfolgsgar­antie gibt es nicht.

Motivation ist wichtig für den Erfolg: „Beim Biofeedbac­k muss der Patient mitarbeite­n“, sagt Julia Graef, Diplom-Psychologi­n an der Universitä­t Marburg. Im Rahmen eines Forschungs­projekts des Fachbereic­hs für Klinische Psychologi­e wurden mehr als 50 Studien zur Wirksamkei­t von Biofeedbac­k bei Migräne ausgewerte­t. Das Ergebnis: Die Methode reduzierte Dauer und Häufigkeit der Anfälle.

Die Psychologi­n behandelt auch selbst Schmerzpat­ienten mit Biofeedbac­k. „Im Schnitt sind acht bis elf Sitzungen notwendig, um die Strategien gegen den Schmerz zu erlernen“, berichtet sie, „aber die Bereitscha­ft, auch zu Hause zu üben, ist sehr wichtig.“

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FOTO: DPA Diese Probandin trägt während der Behandlung von Migräne Sensoren an Wange und Schläfe. Auf dem Bildschirm im Hintergrun­d ist die visuelle Darstellun­g der Verengung der Arterie zu sehen.

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