Schwäbische Zeitung (Biberach)
Turin lässt die Bayern tüfteln
Vor dem Achtelfinal-Hinspiel grübeln die Münchner über ihre Abwehrbesetzung
(dpa/SID/sz) - Die Anspannung beim FC Bayern vor dem Achtelfinal-Hinspiel heute (20.45 Uhr/Sky) bei Juventus Turin ist extrem, speziell bei Pep Guardiola. „Wir brauchen die beste Leistung des Trainers, des Stabes, der Spieler“, sagte der Trainer, sonst könnte seine Münchner Champions-League-Mission frühzeitig endgültig gescheitert sein.
Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge machte in Optimismus. „Die letzten Jahre haben wir immer mindestens das Halbfinale erreicht“, erinnerte er am Montag, als sich der Rekordmeister nach dem noch im frühlingshaft warmen München absolvierten Abschlusstraining auf den kurzen Flug über die schneebedeckten Alpen nach Italien begab.
Die Ankündigung von Turins Stürmer Alvaro Morata, die Bayern werde im ausverkauften Juventus Stadium die „Hölle“erwarten, konterte Arjen Robben entspannt. „Ich glaube, das sind wir gewohnt.“Zumal Turin kein Schreckensort für die Bayern ist, wie die Statistik belegt: Seit Sommer 2004 hat Juve nur zwei von 45 Heimspielen im Europapokal verloren – aber beide gegen die Bayern.
Vor drei Jahren siegten die Bayern auf dem Weg zum Titel-Triple im Viertelfinale mit 2:0 in Turin. Das Wiedersehen steht jedoch unter anderen Vorzeichen. Juve hat einen Lauf, auch wenn es nach 15 Ligasiegen in Serie bei der Generalprobe gegen Bologna nur zu einem 0:0 reichte. Guardiolas Respekt vor dem Vorjahresfinalisten könnte nicht größer sein. „Alle Spieler haben große Erfahrung: Buffon, Bonucci, Khedira, Mandzukic, Pogba, Evra“, zählte der Spanier auf und schloss: „Es ist ein großes Duell.“
Für das der Tüftler taktisch und personell die Weichen stellen muss. Zaubert er noch einen defensiven Überraschungsplan aus dem Hut? Oder vertraut er seiner Zwergenreihe mit Kimmich (1,76 Meter) und Alaba (1,80) im Deckungszentrum, flankiert von Bernat (1,70) und Lahm (1,70), der sein 100. Champions-League-Spiel bestreitet? „Wir haben Vertrauen zu den beiden“, sagte Rummenigge über Alaba und Kimmich. Dennoch könnte die Münchner Kopfballschwäche ein Manko gegen robuste Stürmer wie Mario Mandzukic (1,87) sein, der sich pünktlich zum Rendezvous mit dem ungeliebten Ex-Coach Guardiola aus dem Verletztenstand zurückmeldete.
„Körpergröße können wir uns nicht schnitzen“, sagte Sportvorstand Matthias Sammer lapidar. Vielleicht steht überraschend ja doch ein hochgewachsener Abwehrrecke zur Verfügung: Zu den 21 Spielern, die nach Turin flogen, zählte nämlich auch Medhi Benatia (1,90). Womöglich riskiert Guardiola einen Kaltstart des nach
TURIN
zweimonatiger Verletzungspause gerade Genesenen. Duelle in der Luft sowie Freistöße und Eckbälle sollten vermieden werden, sagte er. „Die sind vielleicht die Stärksten bei Standards in Europa. Juve hat viele große Spieler. Unser Innenverteidiger heißt Kimmich“, sagte Guardiola. „Wir können da nicht kämpfen. Wir müssen uns auf den zweiten Ball fokussieren.“
Xabi Alonso wird Guardiola kaum in eine Dreierkette zurückziehen. Der erfahrene Spanier wird eher als Ordnungskraft und Ballverteiler im Mittelfeld gebraucht. Juve mit viel Ballbesitzfußball vom Tor weghalten, könnte der Plan lauten. Wie viel wagt Guardiola? Massiert er das Mittelfeld, womöglich mit Lahm oder dem Ex-Turiner Arturo Vidal? Oder lässt er seine Angriffsriesen los: Robert Lewandowski, Thomas Müller, Douglas Costa, Robben stehen parat, dazu als Joker Franck Ribéry und Kingsley Coman.
Flucht nach vorn? „Es wird ganz wichtig sein, in Turin ein Tor zu erzielen“, sagte Müller mit Blick auf das Rückspiel am 16. März. Gerade das Toreschießen ist schwer gegen Juve. Mit minimalen 6:3 Toren kam der Vorjahresfinalist mit dem im Turiner Trikot noch ungeschlagenen Weltmeister Sami Khedira (14 Siege, zwei Remis) in der Gladbach-Gruppe weiter. „Turin kann gut verteidigen und wartet auf eine Situation“, sagt Lewandowski. Auch das belegt die Statistik: Juves Torhüterlegende Gianluigi Buffon ist seit 836 Minuten oder neun Spielen ohne Gegentor. Kurioserweise scheint Turins Abwehr mit dem Alter immer besser zu werden: Buffon ist 38, Stephan Lichtsteiner 32, Andrea Barzagli 34, Leonardo Bonucci 28 und Patrice Evra 34 Jahre jung.