Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die Balance gehalten
Bisher hatte Deutschland Glück. In der Bundesrepublik ist islamistischen Terroristen noch kein ähnlicher Anschlag wie in Paris oder Belgien gelungen. Mal war es Zufall, mal die gute Arbeit und Zusammenarbeit der Ermittler, die dies verhindern konnte. Doch die Drohungen werden immer konkreter und folgen in immer kürzeren Abständen. Es besteht weiterhin eine hohe Gefährdung.
Mit immer neuen Sicherheitspaketen hat die Bundesregierung nach dem 11. September 2001 versucht, Lücken in den Gesetzbüchern zu schließen und die Ermittler mit den notwendigen rechtlichen Möglichkeiten und dem entsprechenden Instrumentarium auszustatten. Ein ums andere Mal endeten diese Versuche in Karlsruhe. Und auch jetzt zieht das Bundesverfassungsgericht erneut eine Schranke. Das BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt deutlich erweiterte Befugnisse im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gibt, ist in weiten Teilen verfassungswidrig.
Die tiefen Eingriffe in die Privatsphäre, Überwachung selbst im Schlafzimmer rund um die Uhr, stellen nach Ansicht der obersten Richter ebenso Verstöße gegen Grundrechte dar wie die Gefahr, dass unbeteiligte Kontaktpersonen auch davon betroffen sein könnten. Ein berechtigter Einwand der Verfassungsrichter. Die Verhältnismäßigkeit ist hier in der Tat nicht mehr gegeben. Der Gesetzgeber muss jetzt verspätet nachsitzen und Reparaturarbeiten leisten.
Doch die Richter haben nicht einseitig den Schutz der Privatsphäre in den Vordergrund gestellt. Die Tatsache, dass sie Bundesregierung und Bundestag eine großzügige Frist einräumen, um wieder ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit herzustellen, zeigt, dass sie nicht an der Notwendigkeit einer intensiveren Terrorabwehr zweifeln und Spielraum dafür gewähren. Damit Deutschland auch weiterhin von Anschlägen verschont bleibt, braucht es handlungsfähige Sicherheitskräfte. Auch in dieser Hinsicht ist das Urteil gelungen. Es hält die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit.