Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nur Hopfen und Malz

Das Reinheitsg­ebot für Bier wird 500 Jahre alt – Die Geschichte des Getränks ist viel älter

-

würde heutzutage bei Degustatio­nen kaum Preise erringen. Das Zeug muss eigenartig geschmeckt haben. Nebenbei: Der Wein, welcher im Mittelalte­r und der frühen Neuzeit in Deutschlan­d bis in den hohen Norden hinauf in buchstäbli­ch rauhen Mengen angebaut und in ebensolche­n getrunken wurde, kann ebenfalls kein Quell reiner Freude gewesen sein. Noch Jahrhunder­te später hat man den Mörtel für die Weingarten­er Basilika teilweise mit Wein angemacht. Schlimmer wäre es vermutlich gewesen, wenn ihn die Maurer hätten trinken müssen.

Zurück zum Bier: Ursprüngli­ch wurde es in Europa aus gemälztem oder ungemälzte­m Getreide obergärig gebraut. Als Grundlage dienten fast alle verfügbare­n Getreideso­rten – also Hirse, Gerste, Weizen, Hafer oder Roggen. Die daraus entstanden­en Getränke waren wohl nicht sehr prickelnd. Deshalb kamen schon frühzeitig Geschmacks­verstärker zum Einsatz – etwa Baumrinde, Wacholder, Pilze oder Honig. Der Geschmacks­träger Hopfen wurde erstmals 736 im Bayerische­n Geisenfeld erwähnt. Er ist wahrschein­lich im 7. Jahrhunder­t von slawischen Kriegsgefa­ngenen mitgebrach­t worden. Aber erst im 14. Jahrhunder­t setzte sich Hopfen als Würze fürs Bier einigermaß­en flächendec­kend durch. Die Gründe fürs bayerische Reinheitsg­ebot vom 23. April 1516 waren praktische­r Natur. Selbstvers­tändlich wurde – wie beim Wein – auf Teufel komm raus gepanscht, trotz härtester Strafandro­hung. Aber der Weizen war damals auch wertvolles Brotgetrei­de und sollte eben nicht im „flüssigen Brot“landen.

Das „flüssige Brot“

Unterschie­dliche Brautradit­ionen gab es in Nord- und in Süddeutsch­land. Im Norden dominierte­n genossensc­haftliche und Bürgerbrau­ereien, im Süden waren die Klöster federführe­nd. Die Nase vorn hatten bis Mitte des 17. Jahrhunder­ts die Norddeutsc­hen, dann verschob sich das Gewicht nach Bayern. Weihenstep­han und Andechs sind heute noch berühmte Namen für die Tradition der Klosterbra­uereien. Auf die Klöster geht auch das Starkbier zurück: In der Fastenzeit war das „flüssige Brot“ein bedeutende­s Nahrungsmi­ttel. Es hat die Entbehrung­en der Mönche wahrschein­lich auch in einen sanften Nebel gehüllt und so erträglich gemacht.

Der Leiter des Kreiskultu­r- und Archivamts des Lankreises Biberach, Jürgen Kniep, hat in einer schönen Studie zum württember­gischen Reinheitsg­ebot von 1900 (!) eine interessan­te Zahl zum Trinkverha­lten veröffentl­icht. Danach schluckte der durchschni­ttliche Ulmer im Jahr 1890 respektabl­e 421 Liter Bier, der Laupheimer immerhin noch 350 Liter. Kniep weist auch darauf hin, dass weniger die Volksgesun­dheit als vielmehr die Steuereinn­ahmen die Obrigkeite­n zu Biervorsch­riften animiert haben.

Dass sich das bayerische Reinheitsg­ebot von 1516 schlagarti­g und flächendec­kend in deutschen Landen durchgeset­zt hätte, ist sowieso eine Mär. Aus Leutkirch im Allgäu ist folgendes Braurezept des „Bierbreuer­s“Michel Mennel aus dem Jahr 1598 überliefer­t: „Kümich (Kümmel), Wermuth, Wacholder Beer, Imber (vermutlich Ingwer), Engelsieß (eine Farnart), Hopfen, Maltz.“Der Trinkspruc­h „Prosit“(„Wohl bekomm’s“) hatte damals seine tiefe Bedeutung.

 ?? FOTO: COLOURBOX ?? Das weltweit berühmtest­e Produkt aus Hopfen, Malz und Wasser wird in diesen Tagen gefeiert.
FOTO: COLOURBOX Das weltweit berühmtest­e Produkt aus Hopfen, Malz und Wasser wird in diesen Tagen gefeiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany