Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kretschmanns Idee gefällt den Grünen nicht
Baden-Württembergs Ministerpräsident stellt Doppelspitze infrage – Kritik auch aus Berlin
(dpa) - BadenWürttembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Doppelspitze bei den Grünen infrage gestellt – und damit breite Kritik in den eigenen Reihen ausgelöst. Die Bundespartei und auch Kretschmanns Landesverband widersprachen seiner Auffassung, wonach die Doppelspitze nicht mehr zeitgemäß sei.
„Die Doppelspitze war ja ursprünglich feministisch gedacht und insofern ein vernünftiges Prinzip“, sagte der Regierungschef der „Süddeutschen Zeitung“. „Jetzt heißt Doppelspitze aber immer auch: Realo – Linker.“In der Politik müsse man sich jedoch für den einen oder anderen Weg entscheiden, das zeige auch die Erfahrung aus der Landtagswahl im Südwesten am 13. März. „Da ein Quartett anzubieten, Doppelspitze Partei und Doppelspitze Fraktion, das ist eine Schönwetterveranstaltung“, sagte Kretschmann dem Blatt. Bei der Landtagswahl wurden die Grünen erstmals überhaupt stärkste Kraft.
STUTTGART/BERLIN Landeschefs halten dagegen
Die Landeschefs Thekla Walker und Oliver Hildenbrand widersprachen dem Ministerpräsidenten: „Für uns Grüne ist die Doppelspitze ein Alleinstellungsmerkmal und ein Erfolgsmodell: Sie sorgt vor allem dafür, dass Frauen bei uns viel besser repräsentiert sind als in allen anderen Parteien – auch in politischen Spitzenpositionen.“Auch die Landeschefin der Grünen Jugend, Lena Christin Schwelling, betonte, die Partei wolle keine Abschaffung der Doppelspitze. Den Flügelproporz könne man aber durchaus infrage stellen. „Warum daran festgehalten werden soll, erschließt sich mir als junge Grüne nicht. Flügelkämpfe sind ein Relikt aus den 1980er-Jahren.“
Aktueller Hintergrund der Debatte: Die Grünen-Mitglieder können um die Jahreswende 2016/2017 per Urwahl bestimmen, welches Spitzenkandidaten-Duo die Partei in die Bundestagswahl 2017 führen wird. Am Wochenende hatte der aus dem Südwesten stammende Parteichef Cem Özdemir seine Bewerbung bekannt gegeben. Er ist neben dem schleswigholsteinischen Umweltminister Robert Habeck und Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter der dritte Bewerber. Als einzige Frau hat bislang die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt ihren Hut in den Ring geworfen.
Göring-Eckardt sagte der Zeitung „taz“zur Kritik an der Doppelspitze: „Diese Debatte hatten wir schon häufiger. Sie macht jetzt keinen Sinn.“Auch ihr Amtskollege Hofreiter meinte, die Grünen sollten sich lieber auf Inhalte konzentrieren, statt „längst entschiedene Strukturdebatten wieder aufzumachen“. Parteichefin Simone Peter sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Wir sind für die Doppelspitze, auch weil wir wissen, wie weit wir von Chancengleichheit bei der Besetzung von Spitzenpositionen in allen Gesellschaftsbereichen entfernt sind.“
Der Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte, die Partei habe auf dem Parteitag im November beschlossen, per Urwahl ab September ein Spitzenduo für die Bundestagswahl zu bestimmen. „Das wäre der Zeitpunkt gewesen zu beantragen, dass wir nur eine Spitzenperson wählen sollen.“Dies habe aber niemand getan – auch Ministerpräsident Kretschmann nicht. „Es schadet uns, im laufenden Verfahren Verfahrensdebatten zu führen, wenn die Messen gesungen sind“, sagte Kellner.