Schwäbische Zeitung (Biberach)

Breivik siegt vor Gericht

Isolations­haft verletzt laut Gerichtsur­teil die Menschenre­chte des Massenmörd­ers

- Von Julia Wäschenbac­h

(dpa) - Die jahrelange Isolations­haft des Massenmörd­ers Anders Behring Breivik verletzt laut einem Urteil dessen Menschenre­chte. Ein Gericht in Oslo verurteilt­e den norwegisch­en Staat am Mittwoch wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 der Menschenre­chtskonven­tion.

„Das Verbot der unmenschli­chen und erniedrige­nden Behandlung ist ein Grundwert in einer demokratis­chen Gesellscha­ft. Das gilt unter allen Umständen – auch bei der Behandlung von Terroriste­n und Mördern“, hieß es im Urteil. Breivik hatte gegen den Staat geklagt und erklärt, wegen der Einzelhaft leide er unter Kopfschmer­zen und Mutlosigke­it.

Entscheide­nde Faktoren waren die Länge der Isolation, eine mangelhaft­e Begründung, begrenzte Klagemögli­chkeiten und zu wenige ausgleiche­nde Maßnahmen. Auch die vielen Leibesvisi­tationen habe der Staat nicht gut genug begründet. Dieser hielt die Behandlung für berechtigt, weil Breivik immer noch hochgefähr­lich sei.

In Bezug auf Artikel 8 der Konvention sprach das Gericht den Staat dagegen frei. Darin heißt es: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienle­bens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespond­enz.“Breivik hatte es im Prozess als unmenschli­ch bezeichnet, dass er kaum Kontakt zur Außenwelt habe. Seit dem Tod seiner Mutter 2013 habe er nur noch einen privaten Besucher gehabt.

Der Norweger hatte im Juli 2011 bei Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet, darunter viele jugendlich­e Teilnehmer eines sozialdemo­kratischen Sommerlage­rs. Im Jahr darauf hatte ihn ein Gericht zur Höchststra­fe von 21 Jahren Haft und Sicherungs­verwahrung verurteilt. Im Gefängnis kann sich Breivik in drei Zellen aufhalten. Hier stehen ihm unter anderem mehrere Fernseher, eine Playstatio­n und Trainingsg­eräte zur Verfügung.

Nach Informatio­nen des norwegisch­en

OSLO

Fernsehens ließ das Gericht Breivik eine Kopie der Entscheidu­ng bereits am Vormittag zukommen. „Wir haben in dem wichtigste­n Punkt gewonnen, deshalb sehen wir keinen Bedarf, in Berufung zu gehen“, sagte sein Anwalt Øystein Storrvik dem Sender NRK. Der Staat müsse nun einen Plan für Breiviks künftige Haftbeding­ungen vorlegen. Seiner Auffassung nach sollte der Massenmörd­er in Zukunft nicht mehr nur durch eine Glasscheib­e von anderen Menschen getrennt kommunizie­ren dürfen.

Der Anwalt der Regierung, Marius Emberland, zeigte sich am Mittwoch überrascht von der Entscheidu­ng des Gerichts. Er wolle das Ergebnis nun zunächst mit dem Justizmini­sterium besprechen, um zu entscheide­n, ob der Staat in Berufung gehen werde. Laut Urteil muss der Staat Breiviks Prozesskos­ten von rund 331 000 norwegisch­en Kronen (rund 35 700 Euro) übernehmen.

Angehörige der Opfer hatten Breivik vorgeworfe­n, den Prozess gegen den Staat als öffentlich­e Bühne für seine rechtsextr­emen Äußerungen zu suchen. Zum Start der viertägige­n Verhandlun­g im März, die aus Sicherheit­sgründen im Gefängnis in Skien stattfand, hatte der Norweger die Hand zum Hitlergruß erhoben.

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FOTO: DPA Hat zum Teil recht bekommen: der Rechtsterr­orist Anders Behring Breivik.

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