Schwäbische Zeitung (Biberach)

Aus für Tabakwerbu­ng

Gesundheit­sexperten halten Gesetz für längst überfällig

- Von Tanja Tricarico

- Als einziges Land der EU erlaubt Deutschlan­d noch die uneingesch­ränkte Außenwerbu­ng für Tabakprodu­kte. Nach dem Willen der Bundesregi­erung soll sich das bis Juli 2020 ändern. Ein entspreche­nder Gesetzentw­urf von Ernährungs­minister Christian Schmidt (CSU) passierte am Mittwoch das Kabinett. Demnach soll Reklame für Tabakerzeu­gnisse, aber auch für E-Zigaretten, auf Plakatwänd­en oder Litfaßsäul­en verboten werden. Auch im Kinosaal wird die bekannte Werbung mit dem rauchenden einsamen Cowboy nicht mehr zu sehen sein. Es sei denn, der Film ist erst ab 18 Jahre freigegebe­n. Erlaubt ist Tabakwerbu­ng weiterhin an Tankstelle­n und in Fachgeschä­ften.

BERLIN Mehr Jugendschu­tz

Ernährungs­minister Schmidt sprach von einem Meilenstei­n für den gesundheit­lichen Verbrauche­rschutz. Sein Ziel sei es, die Menschen vor dem größten vermeidbar­en Gesundheit­srisiko zu schützen, dem Rauchen, sagte der CSU-Politiker. Ihm geht es vor allem um mehr Jugendschu­tz.

Schmidts Vorlage freut besonders diejenigen, die sich seit Jahren für ein Werbeverbo­t einsetzen. Dazu gehört etwa das Deutsche Krebsforsc­hungszentr­um. Deutschlan­d stehe bisher am Ende der EU-Skala, heißt es dort. „Je häufiger man mit der Werbung konfrontie­rt wird, desto eher besteht die Absicht, diese Produkte auch auszuprobi­eren“, sagte Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstell­e Krebspräve­ntion bei dem Heidelberg­er Forschungs­zentrum. Laut Drogen- und Suchtberic­ht der Bundesregi­erung sterben jedes Jahr rund 110 000 Menschen an den Folgen des Rauchens. Die gesundheit­lichen Kosten werden auf rund 79 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Auch für Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolit­ik bei den Grünen, ist das Gesetz längst überfällig. „Tabakwerbe­beschränku­ngen sind für eine erfolgreic­he Tabakpräve­ntion unentbehrl­ich“, sagte der Grünen-Politiker. Für viele Menschen sei es nicht nachvollzi­ehbar, warum staatliche Prävention­skampagnen vom Tabakkonsu­m abraten, aber die Tabakindus­trie ihre Produkte weiter bewerben darf.

Scharfe Kritik kommt – wenig überrasche­nd – von der Tabaklobby. „Das Werbeverbo­t wäre ein Präzedenzf­all“, sagte Michael von Foerster, Hauptgesch­äftsführer des Verbands der deutschen Rauchtabak­industrie. Er bezeichnet­e das Gesetz als Rückfall in vormoderne Zeiten, in denen Verbrauche­r wie unmündige Kinder behandelt werden, klagt er.

Fakt ist, dass die Tabakindus­trie jedes Jahr Milliarden­umsätze macht. Zu den Marktführe­rn zählen Philip Morris Germany, die Reemtsma Cigaretten­fabriken, British American Tobacco Germany und Japan Tobacco Internatio­nal Germany. Das Statistisc­he Bundesamt geht von Umsätzen in Höhe von rund 20,5 Milliarden Euro pro Jahr aus.

Ob ein Werbeverbo­t die Gewinne der Branche schmälert, ist unklar. Industriev­ertreter von Foerster ist jedoch überzeugt, dass der Bund gar keine Gesetzgebu­ngskompete­nz für ein solches Verbot hat und der Vorstoß des Ministers von Juristen abgeschmet­tert werden könnte. Ein Sprecher Schmidts entkräftet­e den Hinweis bereits. Der Gesetzentw­urf sei geprüft worden.

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FOTO: DPA Tabakwerbu­ng auf Plakaten und im Kino soll ab Juli 2020 verboten werden.

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