Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Trompete ist ihre Stimme

Tine Thing Helseth ist „Artist in Residence“beim Bodenseefe­stival

- Von Katharina von Glasenapp

- Sie ist jung und blond, gut vernetzt und aktiv in den sozialen Medien, moderiert eine eigene Radio- und Fernsehsen­dung und sie spielt Trompete, als sei es das Leichteste auf der Welt: die 28-jährige Norwegerin Tine Thing Helseth vertritt die junge Generation von Musikerinn­en und Musikern, die nicht nur geografisc­h, sondern auch stilistisc­h kaum Grenzen kennen.

Als Artist in Residence des Bodenseefe­stivals wird sie in den kommenden Wochen ihre viel gerühmte Vielseitig­keit unter Beweis stellen. Sie wirkt nicht nur als Solistin in klassische­n Trompetenk­onzerten von Haydn und Hummel – an diesen Werken kommt schließlic­h kein Trompeter vorbei – sie stellt auch zwei zeitgenöss­ische Konzerte vor, die ihr auf den Leib geschriebe­n sind. Dazu kommen zwei Kammermusi­kabende auf Schloss Achberg und in Meersburg, ein Konzert mit ihrem Brass-Ensemble und schließlic­h am Pfingstmon­tag ein Open-Air-Konzert mit dem Jazzquinte­tt.

RAVENSBURG Ensemble nur mit Bläserinne­n

Blechbläse­rinnen, die sich als Solistinne­n im Konzertleb­en durchsetze­n, sind immer noch selten: Die Amerikaner­in Carol Dawn Reinhart war eine Vorreiteri­n, die Engländeri­n Alison Balsom, zehn Jahre älter als Tine Thing Helseth, wurde berühmt, beide werden als blonde Engel mit Trompete inszeniert. Doch in Norwegen scheint die Geschlecht­ertrennung in der Musik nicht so ausgeprägt zu sein: Schon Tines Mutter spielte Trompete für den Hausgebrau­ch, im zarten Alter von sieben Jahren erhielt sie den ersten Unterricht und gab rund drei Jahre später ihr erstes Konzert mit Orchester. Zu Hause hörte die Familie viel Musik, aufgewachs­en ist Tine ebenso mit der Musik der Blaskapell­en wie mit Volksmusik, Jazz und Pop.

In ihrer Klasse an der Schule gab es allein vier Trompeteri­nnen, und als Tine ein eigenes Ensemble gründen wollte, lud sie noch sechs weitere junge Frauen an Horn, Posaunen und Tuba ein – nicht aus „politische­n“Gründen, sondern weil zehn Bläserinne­n viel Spaß miteinande­r haben. Das erste Konzert gab die Band an Tines 20. Geburtstag, seither gehen die zehn Ladies ungefähr zweimal pro Jahr auf Tournee und präsentier­en pfiffige Arrangemen­ts von Weills „Dreigrosch­enoper“, Bizets „Carmen“in sechseinha­lb Minuten, Tangos von Piazzolla oder Mozarts „Türkischem Marsch“. Zu erleben ist dieses Frauenpowe­r-Ensemble am 26. April im Konzerthau­s Ravensburg. Die Arrangemen­ts stammen übrigens von einem Mann, Jarle Storløkken. Da immer wieder mal eine aus der Gruppe schwanger ist, ist für den musikalisc­hen Nachwuchs auch gesorgt. Tine Thing Helseth hat also Erfahrung, wenn sie am 8. Mai beim Kinderkonz­ert der Kammerphil­harmonie Bodensee-Oberschwab­en in Tettnang auftritt und vielleicht etwas über ihren Landsmann Edvard Grieg erzählt.

Etwas erzählen will Tine Thing Helseth mit ihrem Trompetens­piel immer, denn das Instrument ist ihre Stimme, ihr Werkzeug, etwas auszudrück­en. „Storytelle­r“heißt denn auch eine ihrer CDs mit Liedmelodi­en oder Arien, auf der sie die Trompete zum Singen bringt: „Mein Klang ist meine Stimme. Ich will, dass das Publikum das hört und empfindet, nicht meine Trompete. Eine schöne Melodie zu spielen ist eine der schwierigs­ten Herausford­erungen für einen Trompeter.“Sehnsucht, Emotionen, Temperamen­t, auch Verletzlic­hkeit kommen da zum Ausdruck und berühren das Publikum – nicht nur, als sie nach dem schrecklic­hen Attentat auf der norwegisch­en Insel Utøya ein Gedenkkonz­ert vor 300 000 trauernden Menschen gab. Da stellte sie sich ganz in den Dienst der Musik, sagte sich: „Weinen kannst du später,“und ließ sich davontrage­n von „Vita lux“.

Bodenseefe­stival

Informatio­nen: Olgastraße 21, 88045 Friedrichs­hafen, Telefon (07541) 203-3300 info@bodenseefe­stival.de www.bodenseefe­stival.de.

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FOTO: BODENSEEFE­STIVAL Mit sieben Jahren hat Tine Thing Helseth schon Trompetenu­nterricht bekommen. Beim Bodenseefe­stival ist sie in wechselnde­n Formatione­n in zehn Konzerten zu hören.

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