Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der große Traum vom paralympischen Gold
Radsport: Weltmeister und Weltcup-Sieger Hans-Peter Durst will bei den Spielen im September in Rio seine Karriere krönen
- Weltmeister ist er und Weltcup-Sieger, doch ein großes Ziel bleibt Hans-Peter Durst noch. Bei den Paralympics im September in der brasilianischen Küstenstadt Rio de Janeiro will der Radsportler, der in Ummendorf aufwuchs und seit vielen Jahren in Dortmund lebt, die Goldmedaille in Händen halten. „Das soll mein Lebenshöhepunkt als Sportler werden“, sagt der 57-Jährige.
Die Vorbereitung auf Rio ist längst angelaufen. Auf ein zweiwöchiges Grundlagentraining Anfang März mit dem Nationalteam auf Mallorca folgte eine kurze ruhigere Phase, ehe sich die Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Weltcupsaison richtete. Allerdings hat Durst die Nominierung für die Paralympischen Spiele noch nicht in der Tasche. Erst am 1. August – und damit wenige Wochen vor Beginn der Spiele – will der Deutsche Behindertensportverband (DBS) die ParalympicsStarter bekanntgeben. „Ein bisschen spät“, findet Durst, der für seine Familie schon eine Unterkunft in Rio gebucht hat. „Auch wenn ich nicht nominiert werde, werde ich hinfliegen.“
UMMENDORF Stichtag 1. August
Doch an seiner Nominierung solltekein Weg vorbeiführen – vorausgesetzt, er bleibt von ernsthaften Verletzungen verschont. Daher sieht HansPeter Durst dem Stichtag auch „positiv und hoffnungsvoll“entgegen – aufgrund seiner Erfolge im Qualifikationsjahr 2015 mit zwei WMTiteln (Straßenrennen und Zeitfahren) und dem Gewinn des Paracycling-Gesamtweltcups in seiner Leistungsklasse. Durst, der vor mehr als 20 Jahren bei einem Verkehrsunfall eine Schädel-Hirn-Verletzung erlitt und seither mit gestörtem Gleichgewichtsgefühl und leichten Lähmungen in einer Körperhälfte zurechtkommen muss, startet in der Klasse T2 auf einem Fahrrad mit drei Rädern.
Der Radsportler wird die Chance erhalten, nach 2012 in London, wo er Silber gewann, erneut bei Paralympics zu starten. Die Spiele vor vier Jahren gaben ihm einen neuen Schub – nicht nur wegen der damals knapp verpassten Goldmedaille. Die damaligen Gastgeber, die Engländer, hatten vorgemacht, was alles möglich ist. In der Folge seien auch in Deutschland Training und Betreuung der ParalympicsSpitzenathleten noch professioneller geworden, so Durst. Ohnehin habe er Glück, sagt der Wahl-Dortmunder, dass er am Olympiastützpunkt Rheinland und damit in unmittelbarer Nähe der Deutschen Sporthochschule in Köln trainiere, dessen Wissenschaftler ihn unterstützten.
Durst war aber auch in Freiburg zur Leistungsdiagnostik, um die optimale Sitzposition auf seinem eigens für ihn angefertigten Dreirad zu finden. Er nutzt die Ernährungsberatung und geht zu einer Mentaltrainerin. „Anfangs habe ich mich gefragt, wofür ich das brauche, weil ich in mir ruhe, aber was die Mentaltrainerin noch rauskitzelt ist, beachtlich“, so der 57Jährige. Hinzu kommt ein spezielles Augentraining. „Alles hoch professionell“, sagt Durst. „Es freut mich, da noch dabei zu sein.“
Interesse am Scouting
Die Erfahrungen, die er sammelt, will Durst später an jüngere Athleten weitergeben. Denn eines Tages endet auch seine Zeit als Leistungssportler. Er hat nicht vor, sich dann vom Sport abzuwenden. Im Gegenteil. „Ich habe schon einen Trainerschein gemacht“, so Durst. Doch er sagt über sich selbst, dass er als Trainer „vielleicht etwas zu ungeduldig“sei. Dass ihm das Scouting, das Aufspüren hochveranlagter Athleten, wohl eher liege. Oder die Beratung von Sportlern, um für sie die besten Trainingsbedingungen und Fördermöglichkeiten, auch finanziell, zu finden. Was ihm ebenfalls am Herzen liegt, ist, Menschen zu ermuntern, die von Geburt an körperliche Einschränkungen haben und denen man sportliche Leistungen nicht zutraut. „Manche werden vom Sport befreit und man fragt sich, warum“, so Durst. „Dabei können auch sie Sport machen, aber das steckt noch so in unseren Köpfen drin.“
Nach Rio wird der Sport Hans-Peter Durst weiter beschäftigen, das steht fest. Ob weiter als Wettkampfteilnehmer oder dann schon als Begleiter künftiger Spitzenathleten, das wird sich erweisen.