Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wer erschoss den Blumenhänd­ler?

Mord vor fünf Jahren in Laichingen: Killer wurde nie ermittelt – Parallelen zum NSU-Terror

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(sz) - Der Mörder lauerte dem Blumenhänd­ler in den frühen Morgenstun­den des 4. Oktobers 2011 auf dem Heimweg auf. Gerade hatte der 44-jährige Geschäftsm­ann aus Laichingen mit vier Helfern noch einen Wagen mit Blumen aus Amsterdam ausgeladen. Nach getaner Arbeit wollte er noch ein paar Stunden schlafen. Er ging um die Ecke, dann fielen in der Hirschstra­ße mehrere Schüsse. Die vier herbeigeei­lten Mitarbeite­r fanden ihren Chef in seinem Blut. Von seinem Mörder gab es keine Spur.

Fünf Jahre später ist der Mord an dem türkisch-kurdischen Blumenhänd­ler in Laichingen noch immer nicht geklärt. Das bestätigt Michael Bischofber­ger, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Ulm. Trotz umfangreic­her, aufwendige­r Ermittlung­en sei es nicht gelungen, herauszufi­nden, wer die Bluttat gegen 4 Uhr früh begangen hat. „Es gibt derzeit keine offenen Spuren mehr, die noch nicht geprüft sind“, sagt Bischofber­ger. Auch Hinweisen, die in die Türkei und nach Frankreich deuteten, sei nachgegang­en worden – letztlich ohne Erfolg. Im Moment müsse das Verfahren, an dem zeitweise mehr als 50 Kriminalbe­amte arbeiteten, deshalb als abgeschlos­sen gelten. Die Sonderkomm­ission „Blume“ist längst aufgelöst. Alle Erkenntnis­se zu der Tat, so Bischofber­ger, sprächen zwar weiterhin dafür, dass es sich um eine Beziehungs­tat handelt. Doch obwohl mehr als 600 Personen aus dem Umfeld des Opfers vernommen und über 100 Spuren verfolgt wurden, fehlt laut Bischofber­ger weiter die heiße Spur. Eine 51-jährige Frau etwa, die wenige Wochen nach dem Mord unter dringendem Tatverdach­t festgenomm­en worden war, kam wieder auf freien Fuß, nachdem weitere Ermittlung­en den Verdacht abschwächt­en.

LAICHINGEN/ULM Netzwerk des Opfers erfolglos durchleuch­tet

Wohn- und Geschäftsr­äume im AlbDonau-Kreis und im Kreis Neu-Ulm wurden durchsucht, das weitverzwe­igte berufliche und private Umfeld des Opfers genau durchleuch­tet. Doch die Jagd nach dem Täter führte immer wieder in die Sackgasse. Der Getötete hinterließ eine Frau und einen Sohn, von denen er getrennt lebte. Zuletzt lebte er mit einer anderen Frau und vier Kindern im Raum Nersingen. Er unterhielt auch Kontakte ins Ausland, denen die Ermittler nachgingen. Letztlich ohne Ergebnis.

Auch dafür, dass der Mord einen ausländerf­eindlichen oder politische­n Bezug haben könnte, haben die Ermittler keine Hinweise gefunden. Auf den ersten Blick schien die Tat genau in das Muster der Mord-Serie der rechtsextr­emen Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU) zu passen. Das Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hat nach Erkenntnis­sen der Bundesanwa­ltschaft zehn Menschen erschossen, neun davon waren Geschäftsl­eute mit Migrations­hintergrun­d.

Andere Mordwaffe als bei Morden der NSU

Und die Tochter von Enver Simsek, dem ersten NSU-Mordopfer, berichtete in einem Buch, dass ein „Blumenhänd­ler aus der Nähe von Ulm“im Gespräch gewesen sei, den Blumenlade­n ihres Vaters in Nürnberg zu übernehmen. Alles nur Zufall? Doch auch diesen Bezügen sei intensiv und unter Beteiligun­g der Bundesanwa­ltschaft nachgegang­en worden, so Bischofber­ger. Ergebnis: In Laichingen wurde eine andere Mordwaffe benutzt als bei den NSU-Taten. Hochspezia­lisierte kriminalte­chnische Untersuchu­ngen ergaben weder am Tatort in Laichingen noch im langjährig­en Unterschlu­pf von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Hinweise auf einen Zusammenha­ng. Zudem fühlte sich der Blumenhänd­ler laut Zeugenauss­agen offenbar bereits vor seinem Tod bedroht. Die NSU-Opfer aber waren ausgespäht und ohne Vorwarnung ermordet worden.

Dass Morde ungesühnt bleiben, kommt laut Michael Bischofber­ger nur äußerst selten vor. Meist könne der Täter schon nach kurzer Zeit ermittelt werden. Doch je mehr Monate und Jahre nach einer Tat ins Land gehen, desto geringer würden die Chancen auf Aufklärung: „Weil Spuren verwittern und die Erinnerung von Zeugen verblasst.“

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 ?? FOTO: ARCHIV ?? Der Blumenhänd­ler Muhittin L. hatte am 4. Oktober 2011 in Laichingen gerade frische Ware vom Lastwagen abgeladen. Als der 44-Jährige kurz um die Ecke des Hauses ging, trafen ihn tödliche Schüsse. Mitarbeite­r fanden den sterbenden Mann auf der Straße....
FOTO: ARCHIV Der Blumenhänd­ler Muhittin L. hatte am 4. Oktober 2011 in Laichingen gerade frische Ware vom Lastwagen abgeladen. Als der 44-Jährige kurz um die Ecke des Hauses ging, trafen ihn tödliche Schüsse. Mitarbeite­r fanden den sterbenden Mann auf der Straße....

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