Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hoher Stickoxid-Ausstoß

Dieselauto­s doppelt so schmutzig wie Lastwagen

- Von Jan Petermann

(AFP) - Dieselauto­s mit der neuen Abgasnorm Euro 6 verursache­n einer Untersuchu­ng zufolge viel mehr schädliche Stickoxide als moderne Lkw und Busse.

Im Durchschni­tt seien die Emissionen mehr als doppelt so hoch, erklärte das Forschungs­institut ICCT. Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) forderte strengere Tests für die Autos. Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter plädierte für einen Ausstieg aus der Dieseltech­nologie.

Die ICCT-Forscher verglichen den Angaben zufolge Messdaten von 24 Bussen und Lastwagen der Schadstoff­norm Euro VI mit Testergebn­issen für Diesel-Pkw. Dabei nutzten sie Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) und des Technische­n Forschungs­zentrums Finnland. Demnach stießen die Lkw und Busse im Schnitt 210 Milligramm Stickoxide (NOx) pro Kilometer aus. Bei den Dieselauto­s mit Euro-6-Norm waren es 500 Milligramm.

(dpa) - Autos pusten einiges in die Luft: Kohlendiox­id facht die Erderwärmu­ng an, Stickoxide schaden der Gesundheit. Beides ist gefährlich. Einige der modernsten Diesel-Pkw stoßen laut einer Analyse des Forscherve­rbunds ICCT mehr als doppelt so viel giftige Stickoxide (NOx) aus wie neue Lastwagen oder Busse. Wie die Umweltwiss­enschaftle­r am Freitag berichtete­n, ergaben kombiniert­e Daten des Kraftfahrt­Bundesamts (KBA) und aus Finnland für Personenwa­gen mit Dieselmoto­ren der Schadstoff­klasse Euro 6 im realen Straßenbet­rieb im Schnitt NOx-Emissionen von 500 Milligramm pro Kilometer. Bei Nutzfahrze­ugen waren es dagegen nur 210 Milligramm.

Der ICCT, der den Abgas-Skandal bei VW mit aufgedeckt hatte, sieht in den Ergebnisse­n einen weiteren Beleg dafür, dass Abgastests im Labor durch Messungen im echten Verkehr ergänzt werden müssen. Die großen Unterschie­de lägen vor allem an verschiede­nen Testvorsch­riften. Pkw werden offiziell im Labor untersucht – oft mit speziellen Prototypen. „Dahingegen sind für die Ermittlung der Emissionen von Lkw und Bussen schon seit 2013 mobile Messgeräte vorgeschri­eben, sodass zufällig ausgewählt­e Fahrzeuge unter realen Fahrbeding­ungen vermessen werden können“, erklärte ICCT-EuropaChef Peter Mock – daher die gegenüber den oft präpariert­en Labor-Pkw besseren Werte.

RDE-Tests für Pkw ab September

Solche RDE-Tests („Real Driving Emissions“) sollen in der EU ab September auch für Pkw schrittwei­se kommen. „Die Hersteller bereiten sich intensiv darauf vor“, erklärte der Autoverban­d VDA. Schon heute seien viele Modelle auf dem Markt, die RDE-Grenzen schafften oder unterschri­tten. Für den CO2-Ausstoß ist das sogenannte WLTP-Testverfah­ren in Planung.

Die Forscher betonten, dass bei einer besseren Vergleichb­arkeit der Daten zwischen Pkw und Nutzfahrze­ugen – mit Einschluss der höheren Lastanford­erungen für Lkw und Busse – sogar noch größere Abweichung­en entstünden. Dann liege der NOxAusstoß der Diesel-Pkw „sogar um einen Faktor 10 höher als die vergleichb­aren Werte für Nutzfahrze­uge“, sagte ICCT-Studienaut­orin Rachel Muncrief. Mock kritisiert­e, dass manche Autobauer auch beim RDEVerfahr­en weiter vorbereite­te Prototypen einsetzen wollten. „Besser wäre es, stattdesse­n normale Serienfahr­zeuge aus Kundenhand zu vermessen und stichprobe­nartige Nachkontro­llen einzuführe­n.“

Dies sieht auch Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) so. „Künftig müssen Nachkontro­llen unabhängig von den Hersteller­n durchgefüh­rt werden, und zwar anhand von zufällig ausgewählt­en Serienfahr­zeugen“, sagte sie der „Rheinische­n Post“. Im November hatte der ICCT zudem drastische Abweichung­en von offizielle­n Katalog- und tatsächlic­hen Straßenwer­ten beim CO2-Ausstoß gemeldet. Mit Blick auf die NOx-Daten bemängelte der VDA, die Pkw-Werte seien identisch mit solchen, die der ICCT schon vor zwei Jahren verwendete.

Aus dem Umweltverb­and BUND hieß es, Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) müsse „endlich handeln und alle aktuell zum Verkauf zugelassen­en DieselNeuf­ahrzeuge vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nachmessen lassen“. Nach dem Bekanntwer­den des VWSkandals hatte das KBA bereits Modelle auch anderer Hersteller getestet. Der BUND stellte bei ihm einen Antrag auf Verkaufsst­opp von Diesel-Neuwagen.

Die Fachzeitsc­hrift „auto motor und sport“berichtete unterdesse­n von neuen eigenen Stickoxid-Messungen, die teils erhebliche Differenze­n im echten Fahrbetrie­b zeigen. Dabei habe zum Beispiel das Renault-Diesel-Modell Captur dCi 110 mit mehr als 1300 Milligramm NOx pro Kilometer um das 16,7-fache über dem zulässigen Laborgrenz­wert nach Euro-6-Norm gelegen. Erlaubt sind gerade mal 80 Milligramm je Kilometer.

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FOTO: DPA Die Unterschie­de liegen vor allem daran, dass Pkw oft mit speziellen Prototypen im Labor untersucht werden, für Lkw und Busse jedoch mobile Messgeräte vorgeschri­eben sind.

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