Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Reformation muss immer stattfinden“
Biberacher Pfarrer sprechen über das Festjahr zu „500 Jahre Reformation“
- Zum Jubiläum „500 Jahre Reformation“haben die evangelische und die katholische Kirchengemeinde in Biberach gemeinsam ein besonderes Programm zusammengestellt. Unter dem Motto „... da ist Freiheit“gibt es zum einen monatlich unterschiedliche Gastprediger, die die ökumenischen Gottesdienste in der Stadtpfarrkirche mitgestalten, und zum anderen laden der evangelische Pfarrer Ulrich Heinzelmann und der katholische Pfarrer Kaspar Baumgärtner zu drei Gesprächsabenden zu ökumenischen Konfliktthemen ein. Was die Reformation für die beiden bedeutet? Redakteurin Tanja Bosch hat mit ihnen darüber gesprochen.
BIBERACH Wie wird das Jubiläumsjahr in Biberach gefeiert?
Ulrich Heinzelmann: Auf jeden Fall ökumenisch. In unserer Zeit kann die Erinnerung an 500 Jahre Reformation nicht mehr nur konfessionell begangen werden. Wir wollen kein Triumphgeheul darüber anstimmen, wie toll wir Evangelischen sind. Wir haben entschieden, das Gedenkjahr gemeinsam zu begehen, evangelisch und katholisch, denn nur dann werden wir dem reformatorischen Anliegen am ehesten gerecht.
Ist das eine Besonderheit für Biberach?
Kaspar Baumgärtner: Ja, irgendwie schon. Einen besonderen Auftrag sehen wir natürlich im Simultaneum. Hier in Biberach steht das Gebäude dafür: für den konfessionellen Austausch und den gemeinsamen Versuch, dem Evangelium eine je eigene Gestalt zu geben. Die Stadtpfarrkirche St. Martin gibt uns durch ihre lange Geschichte als gemeinsames Haus Gottes den Auftrag, das Festjahr gemeinsam zu begehen. Heinzelmann: Da fühlen wir uns sehr verpflichtet. Dazu kommt, dass ab Mai in der Kirche gebaut wird: Endlich kommt die Fußbodenheizung. Das heißt, die Kirche wird auch äußerlich reformiert (lacht) beziehungsweise restauriert. Die Gastprediger predigen dann auf einer Baustelle, das finde ich schön, denn wenn Kirche keine Baustelle mehr ist, dann ist sie tot.
Was hat es mit den Gastpredigern auf sich?
Heinzelmann: Bis Oktober haben wir jeden Monat einen Gastprediger bei uns, jeweils von der evangelischen und katholischen Seite, aber auch einen Laien wie den Oberbürgermeister und einen Pastor der evangelischfreikirchlichen Gemeinde. Darauf sind wir beide schon stolz, dass wir das hinbekommen haben. Einmal im Monat eine fremde Stimme, die zum Thema spricht, darauf freue ich mich sehr. Es sind wirklich interessante Leute dabei und jeder wird von sei- ner Warte aus darüber sprechen, wie er die kirchliche Landschaft heute sieht. Baumgärtner: Und wir hoffen, dass wir dadurch auch Menschen ansprechen, die sonst nicht sonntags in die Kirche kommen.
Was bedeutet für Sie Reformation heute?
Heinzelmann: Unsere Zeit ist davon geprägt, dass das der christliche Glaube auf dem Rückzug ist. Beide Kirchen sind bemüht, den Glauben im Gespräch zu halten. Es geht darum, überhaupt noch den Draht zu den Menschen zu finden. Martin Luther hat gesagt „Ihr sollt dem Volk aufs Maul schauen“und damit gemeint: Drückt euch so aus, dass die Leute euch verstehen, und sprecht darüber, was die Leute umtreibt. Das ist unsere Aufgabe als Kirche. Baumgärtner: Die Kirche ist im Übrigen immer eine zu reformierende. Reformation muss immer stattfinden, wenn die Kirche nicht zu Veränderungen bereit ist, dann gibt sie sich selber auf. Wichtiger ist, dass wir uns fragen, was die Aufgabe von Kirche heute ist. Welche Botschaft wollen wir vermitteln? Das ist die Aufgabe in einer Multikulti-Gesellschaft. Heinzelmann: Wir wollen die Stimme des Evangeliums lebendig halten und wir werden nicht müde werden, darum zu ringen, wie wir die frohe Botschaft in die Gesellschaft einbringen. Reformation bedeutet für mich, gerade darum zu ringen, mit Fantasie und Bereitschaft sich infrage stellen zu lassen. Wir geben uns oftmals zu schnell mit dem zufrieden, was wir haben.