Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein schwerer Start von „R2G“

Berlins rot-rot-grüne Koalition beginnt mit Stasi-Diskussion­en, Gender-Klos und dem schrecklic­hen Terroransc­hlag

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Der Start war alles andere als gut – erst gab es zermürbend­e interne Streitigke­iten über einen linken Staatssekr­etär mit Stasi-Vergangenh­eit, dann folgte der der schrecklic­he Terroransc­hlag vom Breitschei­dplatz. „Wir haben keine 100-Tage-Schonfrist“, sagt Berlins grüne Wirtschaft­ssenatorin Ramona Pop.

Am kommenden Montag will der Senat in Klausur gehen und ein 100-Tage-Programm vorstellen. Im Zentrum dürfte das Sicherheit­spaket stehen, das Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) präsentier­en will. Konfliktfr­ei wird das nicht sein, denn „R2G“(die Abkürzung für zweimal Rot, einmal Grün) hatte sich bislang gegen mehr Videoüberw­achung ausgesproc­hen. Doch Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller vollzog nach dem Anschlag eine Wende. Er spricht sich jetzt für mehr Kameras an belasteten Plätzen wie dem Alexanderp­latz oder dem Breitschei­dplatz aus. Die CDU will mit einem entspreche­nden Antrag im Abgeordnet­enhaus Rot-Rot-Grün vor sich hertreiben. Zumal in den letzten Wochen dank Videoüberw­achung der sogenannte U-Bahn-Treter festgenomm­en werden konnte, ein Mann, der in einer U-Bahn ohne Anlass eine Frau auf der Rolltreppe so trat, dass sie schwer stürzte und sich den Arm brach. Auch sieben jugendlich­e Flüchtling­e, die einen schlafende­n Obdachlose­n angezündet hatten, konnten gefasst werden. Trotzdem werden harte Diskussion­en erwartet, denn Grüne und Linke stehen mehr Videoüberw­achung skeptisch gegenüber. Sie sprechen sich stattdesse­n für mehr Prävention aus.

Nach nur vier Wochen im Amt ist das Vertrauen der Bevölkerun­g in die neue rot-rot-grüne Koalition in Berlin gering. Laut einer Forsa-Umfrage erwarten nur 44 Prozent, dass das Bündnis die Stadt voranbring­en wird.

4,2 Milliarden Euro für Schulen

FDP-Chef Christian Lindner mokierte sich beim Dreikönigs­treffen seiner Partei über den grünen Berliner Justizsena­tor Dirk Behrendt. Dessen erste Amtshandlu­ng war die Prüfung von Unisex-Toiletten in öffentlich­en Gebäuden. Eine Machbarkei­tsstudie für 5000 Euro wurde in Auftrag gegeben, um künftig mit Toiletten für alle Geschlecht­er auch inter- und transsexue­llen Menschen zu helfen. Viele Berliner Eltern, deren Kinder an Schulen mit total maroden Toilettena­nlagen sind, halten es allerdings für wichtiger, Toiletten überhaupt einmal instand zu setzen. 4,2 Milliarden Euro veranschla­gt Berlin für die Sanierung von Schulen.

Die Zahl der Staatssekr­etäre, in der Vorgängerr­egierung von SPD und CDU waren es schon 22, wurde auf 25 erhöht, um alle Partner zufriedenz­ustellen. Ein Staatssekr­etär allerdings, Andrej Holm, macht der Koalition größte Schwierigk­eiten. Der Linken-Politiker war früher bei der Stasi und hatte das verschwieg­en. Eine arbeitsrec­htliche Prüfung der Humboldt-Universitä­t, wo Holm lehrte, läuft derzeit.

Doch die lauten Diskussion­en über Gender-Klos und Stasi-Vergangenh­eit treten im Schatten des Terroransc­hlags in den Hintergrun­d. Die Berliner allerdings haben schnell klargemach­t, dass sie weiter wie bisher leben wollen. Die Silvesterp­arty am Brandenbur­ger Tor, die so viel Zuspruch wie immer hatte, war ein Zeichen dafür. Im neuen Jahr stehen in der Hauptstadt drei Großereign­isse an: der Deutsche Evangelisc­he Kirchentag Ende Mai, das Deutsche Turnfest Anfang Juni sowie die Internatio­nale Gartenauss­tellung von April bis Oktober.

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FOTO: DPA Der linke Landesvors­itzende Klaus Lederer, Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) und die grüne Fraktionsv­orsitzende Ramona Pop haben ein schwierige­s Jahr vor sich.

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