Schwäbische Zeitung (Biberach)
Serbien und Kosovo streiten um Verhafteten
Die Verhaftung des Ex-Rebellenführers Ramush Haradinaj in Frankreich verstärkt die Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien. Die Belgrader Regierung sieht im kosovarischen Ex-Premier einen Kriegsverbrecher.
Haradinaj war Ende der 1990erJahre einer der Kommandanten der Kosovo-„Befreiungsarmee“UCK, die mithilfe einer Nato-Intervention die Loslösung von Serbien erkämpfte. Er wurde am Mittwoch an der schweizerisch-französischen Grenze aufgrund eines serbischen Haftbefehls festgenommen. Der 48-jährige Politiker, der aus Pristina nach Basel-Mulhouse geflogen war, reiste mit einem Diplomatenpass.
Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic erklärte am Donnerstag in Belgrad auf die Frage, ob seine Regierung Haradinajs Auslieferung fordere: „Darauf können Sie wetten.“Medien berichten, vorläufig bleibe er so lange in Haft, bis Serbien einen Antrag gestellt habe.
Der kosovarische Ministerpräsident Isa Mustafa forderte von Frankreich die sofortige Freilassung Haradinajs, der serbische Haftbefehl sei „politisch und habe keine legale Grundlage“. Der jetzt Festgenommene war bereits 2015 bei einer Durchreise in Slowenien inhaftiert worden, dessen Behörden hatten ihn nach kurzer Zeit wieder freigelassen.
Haradinaj, 2005 Kosovos Regierungschef für 100 Tage, wurde zweimal vom Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen. In der Urteilsbegründung hieß es 2008, die Anklage habe ihm nicht nachweisen können, dass er für die Ermordung von mindestens 60 gefangenen Serben und albanischen Kollaborateuren im Kosovokrieg 1998/99 verantwortlich sei.
Allerdings war das Verfahren äußerst umstritten, nicht zuletzt, weil ihm auch massive Zeugeneinschüchterung nicht nachgewiesen werden konnte. Während des Prozesses waren 19 Belastungszeugen ermordet worden oder auf rätselhafte Weise „verschwunden“. Im Berufungsverfahren 2012 bestätigte das Gericht den Freispruch und bezeichnete die Aussagen der verbliebenen Belastungszeugen als „nicht zuverlässig“.
Haradinaj kehrte danach als freier Mann in den Kosovo zurück und nahm seine politische Tätigkeit wieder auf. Seine „Allianz für die Zukunft“(AAK) ist derzeit in Opposition, aber die vorherrschende Partei im westlichen Landesteil des Kosovo, wo Haradinaj wie ein lokaler Mafia-Pate regiert.
Doch die serbische Justiz behauptet, genügend Beweise zu haben, dass Haradinaj ein Kriegsverbrecher sei und will ihn vor Gericht stellen. Sollte er ausgeliefert werden, könnte dies den seit 2014 unter Vermittlung der EU laufenden Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo belasten und das politische Klima radikalisieren. Die kosovarische, nationalistische Oppositionsbewegung Vetevendosje (Selbstbestimmung), die eine Aussöhnung mit Serbien ablehnt, fordert den sofortigen Abbruch des Dialogs mit Belgrad. Präsident Hashim Thaci, die Galionsfigur des Unabhängigkeitskrieges, bezeichnet die Festnahme Haradinajs zwar als „inakzeptabel“, will aber die Verhandlungen mit Serbien fortsetzen, wie dies die EU erwartet.