Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Schirn, Städel und Liebighaus bleiben unterscheidbar“
Museumsdirektor Philipp Demandt sieht sich seit seinem Wechsel nach Frankfurt auf der linken Spur
(dpa) - Seit Anfang Oktober ist Philipp Demandt Direktor dreier Frankfurter Museen. Im Interview mit Sandra Trauner von der Deutschen Presse-Agentur spricht er über Schnellboote und Tanker im Kulturbetrieb, wie man es schafft, dass der Name einer Ausstellungshalle zu einem Adjektiv wird und was er in Berlin gelernt hat, das ihm ihm jetzt in Frankfurt nützt.
Herr Demandt, Sie sind jetzt bald drei Monate in Frankfurt: Wie ist Ihr erster Eindruck?
Hier herrscht eine außergewöhnlich hohe Taktung. An den drei Häusern ist eine Dynamik, die bemerkenswert ist: Ich habe in drei Wochen in Schirn, Städel und Liebieghaus vier Ausstellungen eröffnet! Wenn man nach Frankfurt kommt, ist man im Prinzip sofort auf der linken Spur – im sechsten Gang.
Ausstellungen werden auf Jahre im Voraus geplant. Wann beginnt die erste Schau, die Ihre Handschrift trägt?
Abgesehen von kleineren Slots sind die Ausstellungsprogramme der Jahre 2017 und 2018 komplett geplant, 2019 in Teilen. Diese Langfristigkeit ist nicht selbstverständlich und eine Stärke der Häuser. In der Schirn freue ich mich 2017 besonders auf unsere große Einzelausstellung zu René Magritte und 2018 auf Jean-Michel Basquiat. Im Städel begegnen sich 2017 unter anderem die Maler Pierre Bonnard und Henri Matisse.
Geben Sie uns doch bitte einen kleinen Ausblick: Gibt es Themen oder Künstler, die Sie gern anpacken würden?
Konkrete Titel will ich noch nicht nennen, aber es gibt Themen, die mich interessieren. Ich würde gerne den Bereich der Skulptur stärken, insbesondere die Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts. In der Schirn könnte ich mir mehr Themenschwerpunkte zur Illustration und Grafik vorstellen. Ähnlich wie der Comic wird zeitgenössische Illustration noch kaum museal wahrgenommen: Den Museen für Angewandte Kunst ist sie oft zu künstlerisch und den Kunstmuseen zu angewandt.
Wollen Sie das Profil der drei Häuser weiter schärfen oder sollen sie mehr zusammenwachsen?
Die Profile von Schirn, Städel und Liebieghaus werden auf jeden Fall unterscheidbar bleiben. Das Städel kann auf die Qualität seiner Sammlung bauen und daraus große, bedeutende Ausstellungen entwickeln. Einige der schönsten Bilder der Kunstgeschichte hängen in Frankfurt! Die Schirn hat keine eigene Sammlung, aber mit ihrem Fokus auf Diskurse aus der Perspektive der unmittelbaren Gegenwart trotzdem ein klares Profil. Sie ist die einzige Ausstellungshalle, die es geschafft hat, zu einem Adjektiv zu werden: Man hört oft, eine Ausstellung ist „schirnig“.
Im Städel gab es immer wieder Blockbuster mit enormen Besucherzahlen. Ein Thema, das die Massen anzieht, und ein Konzept, mit dem man vor den Fachleuten besteht – wie kriegt man das unter einen Hut?
Indem man allen Mitarbeitern die besten Arbeitsbedingungen gibt. Mein Job besteht vor allem darin, einen Rahmen zu schaffen, in welchem die Kuratoren so frei wie möglich arbeiten und denken und so langfristig wie möglich planen können. Wir zeigen im Städel etwa 2019 eine VanGogh-Ausstellung – alleine dieses Projekt hat einen Vorlauf von fünf Jahren. Nur so bekommen Sie die besten Leihgaben oder auch die richtigen Katalog-Autoren. Sie können gründlich forschen und die Ausstellung in aller Ruhe entwickeln.
Was haben Sie in Berlin gelernt, das Ihnen in Frankfurt jetzt nützt?
Die Alte Nationalgalerie ist Teil der Nationalgalerie, die Teil der Staatlichen Museen zu Berlin ist, die wiederum Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist. Ich bin es also gewohnt, in komplexen Zusammenhängen zu denken.
Interessante Idee: eine „Stiftung Frankfurter Kulturbesitz“?
Ein großer Verbund hat – wie alles im Leben – zwei Seiten: Sie sind eng mit Kolleginnen und Kollegen vernetzt und haben eine andere Schlagkraft. Aber ein Schnellboot ist mitunter wendiger als ein Tanker.