Schwäbische Zeitung (Biberach)
Astors Songs erzählen Alltägliches
Willy Astor gastierte mit einem anderen Programm als gewohnt in der Stadthalle Biberach
- Im Herbst 2015 ist Kabarettist Willy Astor das letzte Mal in Biberach gewesen, er begeisterte mit sprachlichen Verdrehungen, Doppelsinnigkeiten, auch mal Uraltwitzelein. Seine verbalen Fantasien waren schier unerschöpflich. Die allgemeine Umgangssprache konnte bei ihm auf vielfältige Weise zu unterschiedlichen Bedeutungen mutieren. Er brannte ein Feuerwerk mit sprachlich hochkarätigem Nonsens und Mehrfachbedeutungen ab, konnte auch sehr politisch werden. Und er war ein Meister im „Verkaufen“seiner Pointen, immer genau abgewogen, fein dosiert, im richtigen Tonfall und Dynamik. Aber das war einmal.
Jetzt hat Astor sein Programm sehr verändert, nennt es „Chance Songs“. In der Vergangenheit hatte er schon das ein oder andere Chanson eingestreut, zumeist in Altbaierisch. Diese ganz spezifische Mischung brachte Spannung und Vergnügen. Jetzt besteht der Ablauf des Abends nahezu ausschließlich aus Liedern, die er meist nur kurz anmoderiert. Das geht natürlich zulasten spannender Erwartungshaltung.
Bei den meisten Songs begleitet er sich selbst auf der Gitarre; einige interpretiert er frei. Vier Musiker hat er mitgebracht: Nick Flade am Keyboard, Christian Diener am Bass, Ferdi Keller mit der Gitarre und den Schlagzeuger Peter Oscar Kraus, die ihn professionell unterstützen. Sie sind gelegentlich auch Astors vokalisenstarker Background Choir mit Texten wie „ua-ua-ua“.
Wovon handeln seine Lieder? Vom Alltäglichen, von Gefühlen, von den kleinen, nur scheinbar unwichtigen Dingen, die ein Leben erfreuen oder auch mißmutig machen. Seine Titel sind etwa „Inseln der Glückseligkeit“, was aber keineswegs romantische Südsee beschreibt. „Übern Horizont“ist ein bisschen Naturschilderung, fast kindlich erwartungsvoll, sympathisch. Zwischendurch philosophiert er ein wenig und durchaus ernst über den Alltag, erzählt, dass er über den Tellerrand schauen will. Lyrisch wird er in einem Chanson, in dem er Rauhreif auf Blättern beschreibt. Die Songs sind treuherzig und ungekünstelt Gestricktes mit einfacher Melodik und unkomplizierten Rhythmen.
Über ersten Liebeskummer erzählt er, als ihn seine erst Freundin mit 20 verließ. Man hört Alltagslyrik wie „Jeder Kuss von Dir ist wie ein Mund voll Pulverschnee, wie ein Vollbad in einer Wanne voll Milchkaffee“, na ja.
Früherer Stil war konkurrenzlos
Ein weiterer Song hat den aufregenden Titel: „Immer wenn ich Marmeladenbrote schmier’, muss ich voll an Nina denken.“Nachvollziehbare Lebensphilosophien haben freundlichen Vorschlagscharakter für tägliches Verhalten wie: „Warte niemals, bis Du Zeit hast“, denn, so Astor, das Leben sei kein gerader Strich. Und im Song vom „Einfach sein“spricht er auch schon mal allgemein über gesellschaftliche Dynamik. Dann philosophiert er mit großer Ernsthaftigkeit über „Aussteigerfantasien“, singt vom Leben auf einem Hausboot. Und Lebensfreude pur: „Da wo ich bin, scheint die Sonne.“Astors Texte enthalten keine verbalen Besonderheiten, sind Umgangssprache, in der sich jeder wiederfinden kann. Insgesamt bewegen sich seine Themen in einem klar gestalteten Korridor natürlicher und sympathischer Befindlichkeiten.
Es wäre zu wünschen, dass Astor zu seinem großartigen früheren Stil sprachlicher Raffinesse und auch gelegentlich eingestreuten Songs zurückfindet. Damit war er ziemlich konkurrenzlos.