Schwäbische Zeitung (Biberach)
Auflagen bei Gericht: Wohin fließt das Geld?
Bei Verfahren im Bezirk Ravensburg sind 2015 knapp 730 000 Euro verhängt worden
- Wenn Richter oder Staatsanwälte bei Verfahren Geldauflagen festsetzen, dann gehen diese zum Großteil an soziale und gemeinnützige Einrichtungen und Organisationen. Doch wie hoch ist die Summe, die da pro Jahr zusammenkommt, und wer genau erhält die Gelder? Die „Schwäbische Zeitung“hat beim baden-württembergischen Justizministerium und beim Landgericht Ravensburg, das auch für den Landkreis Biberach zuständig ist, nachgefragt.
Zunächst einmal müsse zwischen den einzelnen Begrifflichkeiten unterschieden werden, meint Matthias Geiser vom Ravensburger Landgericht (siehe Kasten). Er erklärt: „Während es sich bei einer Geldstrafe um eine im Rahmen einer strafrechtlichen Verurteilung vorgesehene Sanktion handelt, können Bußgelder als Bewährungsauflage verhängt werden oder dann zum Einsatz kommen, wenn ein Strafverfahren bei Gericht oder durch die Staatsanwaltschaft vorläufig eingestellt wird.“Die Begriffe Bußgeld und Geldauflage werden oftmals synonym verwendet. Daneben existiert noch der Terminus der „Geldbuße“. Diese wird zum Beispiel bei ungebührlichem Verhalten vor Gericht – Beleidigungen, etcetera – verhängt.
Wie Geiser berichtet, fließen die Geldstrafen ausschließlich an die Staatskasse. Nur das Justizministerium könne hierzu Angaben machen. Aus dem Ministerium heißt es: „Im Jahr 2015 wurde gegen 82 159 Personen die Vollstreckung einer Geldstrafe und gegen weitere 6975 Personen die Vollstreckung einer Geldbuße eingeleitet.“Die Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor.
Insgesamt seien von den Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg 82,44 Millionen Euro eingefordert worden. „Die tatsächlich geleisteten Geldzahlungen liegen jedoch deutlich darunter, da Geldstrafen durch Ersatzfreiheitsstrafe oder durch Leistung von gemeinnütziger Arbeit abgegolten werden können“, sagt Steffen Tanneberger vom Justizministerium. Im Landgerichtsbezirk Ravensburg sind laut Tanneberger Geldstrafen und -bußen in Höhe von 4,15 Millionen Euro verhängt worden.
Summen variieren stark
Die Geldauflagen wiederum belaufen sich nach Angaben des Justizministeriums auf landesweit 16 349 671 Euro (siehe Grafik). Empfänger der Gelder können zum einen ebenfalls die Staatskasse oder gemeinnützige Einrichtungen sein. Im Landgerichtsbezirk Ravensburg seien im Jahr 2015 nahezu 730 000 Euro an Bußgeldern auferlegt worden, teilt der Ravensburger Richter Matthias Geiser mit. Im Jahr zuvor lag die Summe lediglich bei 470 000 Euro. Von der knappen Dreiviertelmillion im Jahr 2015 gingen laut Landgericht etwa 220 000 Euro an die Staatskasse. Gut 40 000 Euro bekamen gerichtsnahe Verbände wie Bewährungshilfevereine, über 110 000 Euro wurden Einrichtungen im Bereich der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe zugedacht, jeweils über 50 000 Euro gingen an Institutionen der Kranken- und Behindertenhilfe sowie der Suchthilfe, und knapp 14 000 Euro bekamen Organisationen der Opferhilfe. Der Rest wurde sonstigen Einrichtungen zugewiesen. Jedoch: Auch hier handelt es sich nur um die Summe an Zuweisungen, nicht um die tatsächlich geflossenen Bußgelder. Genauere Angaben hierzu kann Geiser aber nicht machen. Er erläutert: „Auflagen können später umgewandelt werden oder Zahlungen ausbleiben.“
Was die Höhe der angeordneten Geldauflagen anbelange, so lägen die Amtsgerichte Ravensburg, Biberach und Wangen sowie das Landgericht Ravensburg im Jahr 2015 beinahe gleichauf, teilt Geiser mit. Sie ordneten auf das Gesamtjahr gesehen jeweils Bußgelder zwischen 130 000 und 145 000 Euro an. „Sowohl die Gesamtsumme der Zuweisungen als auch die Aufteilung unter den einzelnen Bereichen variieren stark“, betont der Ravensburger Richter. Abhängig sei dies von der Art des Verfahrens und der Frage, ob sich dieses für eine Einstellung oder eine Bewährung mit entsprechenden Auflagen eigne.
Entscheidung liegt bei Richtern
Wohin die Gelder letztlich fließen, bestimmt der Richter. „Die Entscheidung über den Empfänger einer Geldauflage unterliegt in vollem Umfang der richterlichen Unabhängigkeit“, sagt Ministeriumssprecher Steffen Tanneberger. Den Richtern stehen dabei von den Oberlandesgerichten und Staatsanwaltschaften geführte Listen zur Verfügung, in denen alle möglichen gemeinnützigen Einrichtungen aufgeführt sind, denen Geldauflagen zugewiesen werden können.