Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Stärken bewusst gemacht

Stefan Horngacher, bis März 2016 noch Co-Trainer Werner Schusters, ist der Mann hinter Kamil Stochs Triumph

- Von Joachim Lindinger

BISCHOFSHO­FEN - Hätte Kamil Stoch die 65. Vierschanz­entournee nicht gewonnen, der 29-Jährige aus Zakopane hätte es – bei aller verständli­chen Enttäuschu­ng – verkraftet. Skispringe­n ist kein Sport, in dem es irgendwelc­he Garantien gibt; zu fragil ist so ein stimmiger Flug, zu viele Komponente­n addieren sich zu Weite. Das weiß man, das wusste auch der Doppel-Olympiasie­ger von Sotschi 2014. Und doch haderte er bereits mit zweiten Plätzen. „Wenn es nicht läuft“, hat Stefan Horngacher beobachtet, „konnte er ziemlich anstrengen­d werden.“Also sorgt Horngacher, 47, aus Wörgl in Tirol, dafür, dass es läuft. Vergangene­n März wurde er Nationaltr­ainer Polens, nach einem Jahrzehnt in Diensten des Deutschen Skiverband­es, zuletzt als Co-Trainer Werner Schusters. „Er hat mir beigebrach­t, nicht darüber nachzudenk­en, was ich nicht geschafft habe“, sagt Kamil Stoch neun Monate später – „sondern das zu genießen, was ich erreicht habe.“

Wo er wie ansetzen musste, wusste Stefan Horngacher aus verlässlic­her Quelle – von Stefan Horngacher. Von 2004 bis 2006 hatte der ehemalige Weltklasse­springer schon einmal in Polen gearbeitet, als Assistent Heinz Kuttins, der damals Nationaltr­ainer war. Im B-Team sprangen seinerzeit: Kamil Stoch und Piotr Zyla, der die Tournee 2016/17 als Gesamtzwei­ter beendet hat. Das Vertrauen war schnell wieder da, Kamil Stochs extremen Ehrgeiz kanalisier­te Stefan Horngacher so, dass der antrieb, nicht bremste. Der Beste des Teams spricht für alle im Team, wenn er sagt: „Jeder ist sich nun seiner Stärken mehr bewusst.“

Der Psychologe Horngacher – eine Facette des Trainers Horngacher. Werner Schuster kennt auch die anderen: „Er kann alles: Material, Technik, Menschenfü­hrung.“Kein Gefälligke­itszeugnis unter Österreich­ern ist das; im Falle Stoch etwa kam zum Hinleiten zu einer konstrukti­v selbstkrit­ischen Einstellun­g die hochkomple­xe Korrektur der Anfahrtsho­cke. Nun stimmt die Geschwindi­gkeit in der Spur, stimmen Absprung, Flughöhe, Weite. Und Stefan Horngacher bleibt bescheiden. „Wir haben natürlich ein paar Geheimniss­e, aber in erster Linie akribisch gearbeitet.“Folge: Im Dezember gewann Kamil Stoch in Lillehamme­r – sein erster Weltcup-Sieg seit Januar 2015. Und jetzt: die Tournee.

Er habe sich bewusst „relativ lange Zeit gelassen bis zum Cheftraine­r“, hat Stefan Horngacher dieser Tage verraten. Dann habe Adam Malysz angefragt, einst Sprung-Idol, nun Sportdirek­tor des polnischen Verbandes. Stefan Horngacher griff zu: „Eine attraktive Chance.’ Der Nachfolger von Lukasz Kruczek hat sie genutzt. Das Pendeln zwischen Titisee-Neustadt, wo die Familie nach wie vor lebt, und Zakopane, Wisla und, und, und ... wird reich belohnt. In der Landesspra­che reicht es inzwischen zumindest zum Schimpfen. Wenn’s ins Detail geht, versteht man sich auf Englisch. Und man versteht sich gut. In Bischofsho­fen sagte Stoch: „Ich liebe es, mit Stefan Horngacher zusammenzu­arbeiten, und ich hoffe, wir wachsen noch weiter zusammen.“

2017/18 ist schließlic­h wieder eine Tournee.

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FOTO: IMAGO Stefan Horngacher

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