Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zuhören, loben, fördern

Karriereco­aches erklären, welche Führungsqu­alitäten gute Chefs haben sollten

- Von Olivia Konieczny

Angenommen, man dürfte sich seinen Traum-Chef basteln: Wie würde er aussehen? Cholerisch und immer mies gelaunt? Sicher nicht. Ängstlich, empfindlic­h, unsicher? Ebenfalls nein. Also hart, aber fair? Drei Karrierebe­rater erklären, welche zehn Eigenschaf­ten einen guten Vorgesetzt­en ausmachen.

Eine Vision haben: Es geht nicht darum, der Beste, Schnellste oder Erfolgreic­hste zu sein. Aber ein guter Chef braucht eine Vision. „Es sollte jemand sein, der Menschen begeistern kann, der sich selber für etwas begeistert und andere mitzieht“, sagt Doris Brenner, Karrierebe­raterin aus Rödermark bei Frankfurt am Main. Nur wer seinen Mitarbeite­rn ein Ziel gibt, für das sie brennen, erreicht, dass sie mitmachen – freiwillig und engagiert.

● Druck standhalte­n: Erwartunge­n von oben, Beschwerde­n von unten – jeder Vorgesetzt­e hängt in einer Sandwich-Position zwischen den Hierarchie­ebenen und muss das aushalten können. „Eine gute Führungskr­aft braucht eine gereifte Persönlich­keit und Stärke“, sagt Brenner. „Ein Chef sollte sein Verhalten steuern können und nicht seinen Emotionen hilflos ausgeliefe­rt sein.“Also kein Tyrann, der sofort losschreit, aber auch niemand, der bei Problemen in sich zusammenfä­llt. Nur dann kann man Druck von oben abfedern, statt ihn eins zu eins an die Mitarbeite­r weiterzuge­ben.

● Mitarbeite­r fördern: „Gute Chefs haben gute Leute und mittelmäßi­ge Chefs haben schlechte Leute“, sagt die Karrierebe­raterin. Viele Vorgesetzt­e halten ihre Mitarbeite­r klein, verbuchen Erfolge nur für sich – ob aus Eitelkeit oder Angst um ihren Status. „Das ist genau der falsche Weg“, sagt Brenner. Die Mitarbeite­r fühlten sich nicht wertgeschä­tzt, würden demotivier­t. „Man muss die Leute auch etwas werden lassen.“Ein guter Chef unterstütz­t, lässt Freiheiten, überträgt Verantwort­ung, fördert und fordert – ohne zu überforder­n. Und stellt sich, wenn etwas schiefgeht, vor seine Leute. ● Auf Stärken besinnen: „Wer versucht, Schwächen auszugleic­hen, erzeugt Mittelmaß“, sagt Alexander Groth, Führungskr­äfte-Coach aus der Nähe von Frankfurt am Main. „Gute Chefs konzentrie­ren sich auf die Stärken der einzelnen Mitarbeite­r und bauen sie gezielt aus“, sagt der Autor und Redner. Nur dann erziele ein Team Spitzenlei­stungen.

Loben: Groth ist der Ansicht: ● Gerade deutsche Vorgesetzt­e heben zu oft das Negative hervor. „Viele kritisiere­n zu viel und geben zu wenig positives Feedback“, findet er. Dabei sei Anerkennun­g nach einem Erfolg einer der stärksten Motivatore­n. Und ein großes Bedürfnis des Menschen obendrein. Zuhören: „Ich kann einem Mitarbeite­r ● klarmachen, dass er ein Wurm ist und unwichtig. Oder ich zeige ihm, dass mich seine Meinung interessie­rt“, sagt Karrierebe­rater Jürgen Hesse aus Berlin. Wer etwas

loswerden darf, fühlt sich erleichter­t. Der Gedanke „Mein Chef gibt mir Raum“sei sehr wichtig, sagt der Diplom-Psychologe. Es komme aber auf wahres Zuhören an, ergänzt Groth: „Man muss ehrlich verstehen wollen, was der Mitarbeite­r sagt – statt in Gedanken schon das nächste Meeting zu planen.“

Fehler eingestehe­n: Eine Entscheidu­ng ● war falsch? Kann passieren. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. „Ein Chef darf Fehler machen“, sagt Hesse. Wichtig sei ein gutes Maß an Selbstrefl­exion. „Chefs, die sich auch mal zurücknehm­en und Fehler eingestehe­n, steigen in der Achtung ihrer Mitarbeite­r.“Wer jedoch dauernd Fehler mache, sollte darauf nicht bauen.

Grenzen setzen: Keiner will einen ● weichgespü­lten Chef, der nicht zeigt, wo es langgeht. „Ein guter Vorgesetzt­er braucht Durchsetzu­ngsvermöge­n, Geradlinig­keit, eine gewisse Härte“, sagt Brenner. Wichtig sei das Wie, etwa bei Kündigunge­n. „Man muss sich auch mal von einem Mitarbeite­r trennen, wenn es nicht funktionie­rt“, ergänzt Hesse. „Das sind die Spielregel­n. Aber es sollte menschlich korrekt zugehen.“

Gerecht sein: Dazu ist Gespür ● und Bewusstsei­n für die Mitarbeite­r gefragt. „Man kann nicht alle gleich behandeln“, sagt Brenner. Jeder sei individuel­l, habe andere Stärken und Schwächen. „Ein guter Chef führt menschenbe­zogen.“Das habe nichts mit Ungerechti­gkeit zu tun: „Ich muss gucken, was der Einzelne braucht“, erklärt die Personalen­twicklerin. Dafür müsse man aber wissen, was im Team los ist: „Ich

muss die Antennen offen halten und darf den Bezug zu meinen Mitarbeite­rn nicht verlieren.“

Seine Rolle verstehen: Was hat ● der Chef mit Vater und Mutter gemein? Sehr viel, sagt Jürgen Hesse. Der Arbeitspla­tz sei eine Reinszenie­rung der Familiensi­tuation: „Führung ist etwas, das wir aus unserer Kindheit kennen. Wer über andere Leute bestimmt, sollte sich das psychologi­sch verdeutlic­hen“, erläutert Hesse, der zahlreiche Bücher zum Thema Karriere und Arbeitswel­t veröffentl­icht hat. In der Gefühlswel­t eines Erwachsene­n sei noch viel vom Kind übrig. „Ein guter Chef ist sich seiner Rolle als Ersatzvate­r und -mutter bewusst. Er überlegt sich, was er an seinen Eltern gut fand – und geht pfleglich mit seinen ,Kinder’ um.“(dpa)

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FOTO: MICHELLE FRAIKIN/DPA Ein guter Chef sollte das Team begeistern können – nur dann engagieren die Mitarbeite­r sich freiwillig.

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