Schwäbische Zeitung (Biberach)

Schwergewi­cht mit Doppelherz

Kias neuer Crossover-Hybrid Niro im Test

- Von Andreas Knoch

Das Beste aus zwei Welten – mit diesem Anspruch will der koreanisch­e Autobauer Kia Käufer für seinen komplett neu entwickelt­en Kompakt-SUV Niro gewinnen. Man ahnt es: Unter der Motorhaube des seit September 2016 erhältlich­en Modells werkelt ein Hybridantr­ieb. Gewissheit geben das kleine Label am Heck des Wagens und das lautlose Anfahren. Ein 105 PS starker 1,6-Liter-Benziner wird von einem Elektromot­or mit 44 PS unterstütz­t.

Das ist auch nötig, denn der Benziner arbeitet im auf Sparsamkei­t ausgelegte­n Atkinson-Zyklus – eine spezielle Ventilsteu­erung, bei der die Verbrennun­gsenergie besser ausgenutzt und die Schadstoff­emissionen reduziert werden sollen. Erkauft wird das mit einer niedrigere­n Leistung, was einen Einsatz als ausschließ­licher Antrieb in einem Auto nahezu ausschließ­t. Der E-Motor im Niro soll diese Schwäche ausgleiche­n, beim Anfahren und auch sonst immer, wenn es das System für richtig hält.

Unauffälli­ger Parallelhy­brid

Spüren kann man das kaum. Die Motoren arbeiten harmonisch zusammen, der Verbrenner sogar angenehm leise. Für den Kräftespli­t wurde ein konvention­eller SechsgangD­oppelkuppl­er verbaut, und der Elektromot­or ist im Getriebe untergebra­cht. Der Vorteil: Das DSG verbindet den Motor direkt mit den Vorderräde­rn, was das Beschleuni­gungsempfi­nden spürbar verbessert.

Aufschluss darüber, welche Antriebsfo­rm gerade gefordert wird, gibt eine Energieflu­ssanzeige im TFT-Display des Cockpits. Zur Steuerung der verschiede­nen Antriebsmo­di nutzt Kia auch Navigation­sdaten. Kurven, Steigungen und Gefälle werden berücksich­tigt. In Erwartung einer Steigung lädt die Technik den Akku vorsorglic­h stärker, damit der E-Motor am Berg helfen kann. Vor der Abfahrt wird der Akku stärker geleert – schließlic­h steht eine schöne Strecke zum Aufladen der Batterie an.

Die beim Rekuperier­en gewonnene elektrisch­e Energie wird in einem Lithium-Ionen-Polymer-Akku gespeicher­t, der mit einer Kapazität von 1,56 Kilowattst­unden rein rechnerisc­h für zwei Kilometer Fahrt reicht. Selbstbewu­sst gibt sich Kia in Sachen Haltbarkei­t der Speicherze­lle: Die Hersteller­garantie von sieben Jahren gilt auch für den Akku.

Und der Verbrauch? Angesichts so aufwändige­r Technik macht sich Ernüchteru­ng breit. 3,8 Liter gibt Kia im Kombinatio­nsbetrieb an. Doch in der Praxis ist dies ein kaum zu erreichend­er Wert. Normal bewegt schluckt der Kia Niro um die sechs Liter – für einen Hybriden kein Traumergeb­nis. Sonderlich flott fährt man dabei auch nicht: 11,5 Sekunden von Null auf 100 und eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 162 km/h stehen zu Buche. Wohlwollen­d könnte man sagen, der Niro mag es entspannt. Doch etwas mehr Elektro-Punch stünde dem Koreaner gut zu Gesicht.

Dass der Niro ein eher gemütliche­r Geselle ist, liegt auch am Gewicht: Schließlic­h müssen stattliche 1,5 Tonnen Leermasse erst einmal bewegt werden. Und so ertappt man sich als Fahrer beim reflexarti­gen Ruck des Ganghebels nach links. Im dann aktivierte­n Sportmodus des serienmäßi­gen Drive-Mode-SelectSyst­ems macht der SUV mit seinen späteren Gangwechse­ln und einer strafferen Abstimmung der Lenkung nämlich durchaus Spaß.

Viel Platz und viele Helfer

Innen fällt auf, dass der Kompakte ein durchaus geräumiges Auto ist. Vorn gibt es ja bei den wenigsten aktuellen Fahrzeugen Grund zur Klage. Im Fond sieht das jedoch oftmals anders aus. Schon der Blick nach hinten offenbart richtig viel Platz zwischen Vordersitz­lehne und Rückbank. Der Grund liegt im vergleichs­weise langen Radstand (2,70 Meter), der dem durchschni­ttlichen Mitteleuro­päer ausreichen­d Beinfreihe­it lässt.

Das Interieur ist sauber verarbeite­t und kommt in der getesteten Ausstattun­gslinie Vision mit allerlei elektronis­chen Helferlein daher: Heizungen für die Vordersitz­e und das Lederlenkr­ad, ein elektrisch einstellba­rer Fahrersitz, Navigation­ssystem und Rückfahrka­mera. Gegen Aufpreis gibt es die üblichen Sicherheit­sassistent­en (Notbremse mit Fußgängere­rkennung, Abstandste­mpomat und sogar einen aktiven Spurhaltea­ssistenten).

Wem Platz im Kofferraum wichtig ist, der muss aufpassen. Denn das Volumen unterschei­det sich je nach Ausstattun­gslinie. Während die Edition 7 akzeptable 427 bis 1425 Liter Laderaum bietet, sind es bei den luxuriöser ausgestatt­eten Vision- und Spirit-Modellen nur 373 bis 1371 Liter, weil dort ein doppelter Boden enthalten ist. Kia hat den Akku des Hybridantr­iebs unter der Rückbank verstaut, mit dem Ziel, den Gepäckraum nicht einzuschrä­nken. Das klappt nur bedingt. Der Kofferraum in unserem Vision-Testwagen ist sehr überschaub­ar. Wer zu viert in den Urlaub will, muss über eine Dachbox nachdenken.

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FOTO: KIA Im Segment der Kompakt-SUV gibt es nicht allzu viel Auswahl an Hybriden. Der neue Kia Niro ist einer.

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