Schwäbische Zeitung (Biberach)
Das linke Lager ist aufgemischt
Katja Kipping schmollt, die SPD wird nachdenklich, die Grünen setzen auf „Weiter so“
- Unruhe in den Parteizentralen. Am Tag nach der Saarland-Wahl ist Nachdenken über die Konsequenzen angesagt. Die Parteien weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Linken-Chefin Katja Kipping fordert SPD und Grüne zu einem klaren Bekenntnis zu einer gemeinsamen rotrot-grünen Koalition auf Bundesebene auf. Die SPD zieht für sich die Lehre, lieber nicht allzu sehr von Rot-Rot zu sprechen und die Grünen wollen sich vor der Wahl nicht festlegen.
Bis Sonntag sah es so aus, als ob mit der Saarland-Wahl die Weichen gestellt werden könnten für ein weiteres rot-rotes oder ein rot-rot-grünes Bündnis. Nach Thüringen und Berlin sollte damit ein Signal in Richtung Bundestagswahl gesetzt werden.
Während die Parlamentarische Linke der SPD sich schon länger mit solchen Bündnissen anfreunden kann, luden jetzt sogar die SPD-Netzwerker, der pragmatisch und karriereorientierte Flügel der SPD, LinkenFraktionschef Dietmar Bartsch zum Gedankenaustausch unter dem Motto „Links, zwo, drei“ein.
Auch bei den Grünen laufen Gespräche in alle Richtungen. Das Spitzenduo Katrin Göring-Eckhardt und Cem Özdemir steht zwar eher für einen schwarz-grünen Kurs, hält die Türen aber in alle Richtungen offen, während der Parteilinke Jürgen Trittin nicht müde wird, festzustellen, dass es weit mehr Gemeinsamkeiten mit den Linken gebe als mit CDU und CSU. Die Parteibasis der Grünen ist eher für ein linkes Bündnis und forderte auch schon eine Festlegung.
Doch nun kam alles anders. Nicht nur SPD und Linke verloren leicht bei der Saarland-Wahl, die Grünen kamen erst gar nicht mehr ins Parlament. Das hatten sie allerdings einkalkuliert, denn der grüne Saar-Landesverband gilt in Berlin als schwierig, und beim letzten Mal kamen die Grünen auf genau fünf Prozent. Die Saar-Grünen hatten bei der letzten Wahl 185 Stimmen über fünf Prozent, das war kein Ergebnis zum Zurücklehnen. Der saarländische Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Hubert Ulrich hat als Reaktion bereits seinen Rückzug angekündigt.
Die Linken sind im Schmollwinkel. „Ein Prozent mehr bei den Grünen, und wir hätten eine ganz andere Welt“, sagte Grünen-Chefin Katja Kipping am Morgen danach. 13 000 neue Sozialdemokraten seien doch nicht eingetreten, um die Fortsetzung der Großen Koalition in Berlin anzustreben, meinen andere Linke.
Zunehmend Zweifel in Berlin
Doch in Berlin haben SPD-Spitzenpolitiker zunehmend Zweifel, ob RotRot wirklich erwünscht ist. Und ob man angesichts der über 40 Prozent der CDU und ihres satten Zugewinns wirklich gemeinsam einen Aufbruch gegen die CDU hätte wagen können. Die SPD hatte am Wahlabend zu einem sehr frühen Zeitpunkt im WillyBrandt-Haus die Reißleine gezogen. Als Spitzenkandidatin Anke Rehlinger in Saarbrücken sich noch alles offenhalten wollte, gab Parteivize Ralf Stegner in Berlin das Saarland schon verloren.
Auch die Grünen denken nun intensiv darüber nach, ob ihre Wähler mehrheitlich Rot-Rot-Grün wollen oder nicht auch viele zufrieden sind mit Konstellationen wie in BadenWürttemberg, wo man mit der CDU gemeinsam regiert. Sicherheitshalber wollen die Grünen nun ganz auf das Ökothema, das weder in der SPD noch bei der Union sonst ein Zuhause habe, als Alleinstellungsmerkmal setzen.