Schwäbische Zeitung (Biberach)
Neue Herausforderung für den Team-Manager
Vierspänner-Europameister Michael Brauchle aus Lauchheim arbeitet nach seinem Aus für die EM schon an 2018
- Das Faszinierende seines Sports, des Fahrsports? Aachen, dieser enttäuschend-folgenreiche 20. Platz beim CAIO, liegt gerade erst zwei Tage zurück, doch aus Michael Brauchle sprudelt es. Vierspänner bewegt der 27-Jährige aus Lauchheim-Hülen (Ostalbkreis) – so gut normalerweise, dass er amtierender Europameister ist. Und: Michael Brauchle ist Gespannfahrer aus Leidenschaft. Jeder Satz Begeisterung: „Dass man vier Lebewesen hat“, sei das Herausfordernde. „Die Pferde sind ja auch nicht immer gleich drauf, die haben mal einen guten Tag, mal einen schlechten. Mein Job ist es, als Kutscher da obendrauf das alles so zu managen, dass es ein Team gibt.“
Ein „Job“, in den Michael Brauchle hineingewachsen ist. Von klein auf: Vater Franz war mehrfacher BadenWürttembergischer und Deutscher Meister in verschiedenen Anspannungsarten, Mutter Brigitte Beifahrerin ihres Mannes, Fahrlehrerin und Trainerin, der zwei Jahre ältere Bruder Steffen ist, WM-Gold-dekoriert, mit Pony-Zügen unterwegs. Familiensache Fahren! Vertrauenssache Fahren: Dressur-, Gelände- und Hindernisprüfung sind die Disziplinen eines Turniers, „Schönheit, Schnelligkeit, Geschicklichkeit“verlangen sie. „Da“, sagt Michael Brauchle, „muss der Kutscher der Chef sein.“Chef aber ist er „zu 90 Prozent durch die Stimme“. Die vertraute Stimme, der die Pferde „bedingungslos zuhören und folgen“.
LAUCHHEIM-HÜLEN Joggen – aber kein täglicher Sprint
einen Sprint hinlegen.“Heißt? „Ein Pferd muss täglich raus, das ist ganz klar. Aber ein Pferd regelmäßig arbeiten tut man jeden zweiten Tag.“Soll es doch „immer ein bisschen Spaß haben bei der Mitarbeit“.
Spaß ist auch Michael Brauchles Motivation; gerne spricht er vom Fahren als seinem Hobby. Geld verdienen nämlich kann selbst einer der Besten allenfalls bedingt. Michael Brauchles bisherige Karriere schmücken vier WM-Teilnahmen (mit dem siebten Rang 2016 als bestem Einzelresultat, mit dreimal Mannschaftssilber, einmal Bronze), bei Europameisterschaften war er dreimal am Start – und 2015 in Aachen Überraschungssieger –, Deutscher Meister 2015 ist er. Dazu kommen die Triumphe 2008, 2011 und 2013 in der technisch überaus anspruchsvollen Geländeprüfung beim Aachener Concours d’Attelage International Officiel (CAIO). Ein ansehnliches Erfolgsportfolio, trotzdem geht Michael Brauchle „jeden Tag arbeiten“– zwei Tage die Woche als Schlosser bei Brendle Metallbau in Aalen, die restliche Zeit unterstützt er seinen Vater bei Hufschmiedtätigkeiten. „Das, was ich erarbeite, geht in den Sport.“In dem können für ein Turnierwochenende schon mal tausend Euro Boxenmiete fällig werden ...
Training wird da zur FeierabendAngelegenheit. Zwangsläufig. Und 24 Stunden sind manchmal (zu) wenig. „Da muss man halt einen Schritt schneller laufen.“Michael Brauchle lacht. Ernst sagt er dann: „Es ist nicht einfach, aber man kämpft. Man muss kämpfen, man darf nicht nachgeben.“
Kämpferisch sein und beherzt – die schlechtesten Eigenschaften sind das nicht fürs Gespannfahren. „In unserem Sport ist es ganz wichtig, dass ein Pferd nicht ängstlich ist, nicht zurückhaltend ist, sondern auch mal in die Konfrontation geht, selbstbewusst ist. Einer, der so bissel mutig ist, bissel frech ist.“Das gelte so auch für den Kutscher. „Ganz, ganz viel Gefühl und Einfühlungsvermögen“brauche der „als Allererstes“– aber eben auch Selbstbewusstsein, Courage. Denn „wenn ein Pferd spürt, dass er sich an der Leine nicht sicher ist, nicht von dem überzeugt, was er tut, dann sind die Pferde auch skeptisch“. Dann kann EM-Gold nicht zustandekommen.
In Göteborg küren die Vierspänner-Lenker Ende August Michael Brauchles Nachfolger. Dass der Europameister seinen Titel nicht verteidigen kann, ist seit Aachen klar. Dort ist „die ganze Woche nichts gelaufen, selbst die grundsätzlichen Sachen“nicht, „die immer laufen“. Michael Brauchle ist ein selbstkritischer Mensch, spricht auch von „meinem Beitrag dazu, weil ich zu angespannt war“. Michael Brauchle ist Realist. Und fairer Sportsmann: „Dann hab’ ich zum Bundestrainer gesagt: ,Ich seh’ das so, dass ich dieses Jahr die Leistung, die ich bringen möchte, nicht mehr bringen kann.‘“Konsequenz: In Göteborg vertreten Christoph Sandmann, Georg von Stein und Mareike Harm die deutschen Farben. Merke: „Der Beste soll da hin. Und bei den Besten war ich diesmal nicht dabei. Das muss man ganz klar so sagen.“
Noch ist die Balance nicht wieder da
Klar sagen muss man auch, dass es vor allem der Verlust von Jamaika ist, der Michael Brauchle zu schaffen macht. Die Stute „hat mir beim EM-Sieg sehr, sehr viel geholfen“, ihr Tod „hat mir ein bissle ein Loch reing’hauen“. Die Balance eines Gespanns ist sensibel, fragil, „da musst du alles neu sortieren“. Ein Prozess. Der, sagt Michael Brauchle, andauert. „Die letzten zwei Jahre hab’ ich das nicht geschafft, ein anderes Pferd in die Position zu setzen.“Aachen festigte diese Erkenntnis, seit Sonntag ist für Michael Brauchle die EM passé, die Zukunft jedoch Gegenwart. 2017 fährt er keine Turniere mehr, bis nächstes Jahr will er „das Team so aktualisieren, dass ich wieder in alter Frische loslegen kann“. Mit zwölf Tieren arbeitet Michael Brauchle aktuell, unter ihnen „ein paar Nachwuchspferde, die machen mir grad sehr viel Freude, die werd’ ich jetzt in das Team eingliedern“.
Jegliche Unterstützung erhält er dabei von Petra Beyrle, bewährte Beifahrerin (neben Eckhard Behm aus Bonn) – und Michael Brauchles Freundin. „Ohne sie würd’ ich den Sport nicht machen können.“Mit ihr geht Michael Brauchle die Herausforderung an. Zuversichtlich. Sprudelnd.