Schwäbische Zeitung (Biberach)
Freizeitlook statt schicker Anzug
Ex-Boss-Chef Bruno Sälzer will Freizeitlabel Bench neues Leben einhauchen
- Bruno Sälzers Look hat sich seit seiner Zeit als Chef des schwäbischen Luxusmodeherstellers Hugo Boss (2002 bis 2008) und der Münchner Modemarke Escada (2008 bis 2014) deutlich verändert. Braun gebrannt steht er in löchrigen Jeans, Sneakers und weißem T-Shirt über dem durchtrainierten Körper in den ehemaligen Produktionshallen des Halbleiterherstellers Infineon im Münchner Osten und führt die eben angekommene neue Kollektion des Labels Bench vor.
Das will auf den ersten Blick nicht so recht passen. Statt Anzügen bzw. Kleidern für reifere Damen verkauft Sälzer nun Freizeitmode, die vorwiegend junge Leute tragen. Bench kommt eigentlich aus dem englischen Manchester und steht vor allem für Hoodies (Kapuzenjacken) und jugendliche Trendkleidung. Nach einem Hype in den Jahren 2011 bis 2013 hat die Marke aber ihre beste Zeit hinter sich. Der mittlerweile 60jährige Sälzer will dafür sorgen, dass es wieder aufwärts geht. In seinem Alter sieht er da keinen Widerspruch. „Eine Klassifizierung nach Alter ist nicht sinnvoll. Viele unserer Produkte kann jeder tragen“, findet er. Er verweist auf die generelle Lockerung von Kleidungsvorschriften. Selbst Daimler-Chef Dieter Zetsche tritt in letzter Zeit häufiger in Jeans, offenem Hemd und sogar in Cowboystiefeln auf.
Bei Bench hat sich viel getan. 2014 kaufte die Private-Equity-Gesellschaft Emeram Capital Partners mit sechs Investoren um Ex-Mercedes und Metro-Chef Eckhard Cordes das Unternehmen. Sälzer wurde als Experte gebeten, sich das anzuschauen. Er habe gefunden, dass man daraus was machen könne, erzählt er. Er übernahm den Chefposten und beteiligte sich selbst mit 15 Prozent. Als Vater von vier Jugendlichen zwischen 14 und 23 und als Mann mit Gespür für Mode sieht sich Sälzer an der richtigen Stelle.
MÜNCHEN Umzug nach Deutschland
Der Modehersteller zog nach Deutschland um, „weil hier unsere wichtigsten Handelspartner sind“. Warum es ausgerechnet München, nicht gerade als Zentrum der Szene bekannt, sein musste, leuchtet auf den ersten Blick nicht ein. Denn München verkörpert den lässigen Bench-Style nicht unbedingt. Sälzer kommt aus Bad Rappenau bei Heilbronn und wohnt selbst im Münchner Nobelvorort Grünwald. Er lächelt: „Ich hatte zuerst an Berlin gedacht.“Doch München biete gute Voraussetzungen. In den ehemaligen Infineon-Hallen, wo sich viele Medien, Mode- und IT-Unternehmen angesiedelt haben und wo rund 5000 Menschen arbeiten, herrscht eher Berliner Geist.
Das loftartige, 30 000 Quadratmeter große Hauptquartier, in dem früher eine Halbleiter-Produktionslinie stand, bietet viel Platz. Aus Sälzers verglastem Büro geht der Blick auf eine Grünfläche mit Pool, in dem um die Mittagszeit mancheiner eine Runde schwimmt. 20 Mitarbeiter aus Manchester kamen mit an die Isar und sollen den Manchester-Spirit verkörpern. Der Einzug in die neuen Räumlichkeiten im April 2015 wurde mit einer großen Party mit der britischen Sängerin Jess Glynne gefeiert. Insgesamt arbeiten 90 der weltweit 543 Mitarbeiter in München.
Um die Abhängigkeit von wenigen Produkten zu verringern, wurde die Kollektion um Hosen, Röcke, Jacken, Beachwear und Outdoor-Jacken erweitert. „Eines Tages könnte es auch ein Casual-Sakko geben, sehr lässig und natürlich immer in einem urbanen Look“, deutet Sälzer an.
Zu haben sind die Stücke in Deutschland etwa über den Versandhändler Otto, in Kaufhäusern und Outlet-Centern. Den Umsatz gibt das Unternehmen mit 100 Millionen Euro an, inclusive Lizenzumsätzen aus Kanada sind es 190 Millionen Euro, sagt der leidenschaftliche Club-Gänger, Träger des Schwarzen Gürtels (Karate) und Langstreckenläufer.
Werbeträger Lady Gaga
Der Umsatzanteil Großbritanniens ist immer noch hoch, ging aber seit 2009 von 60 auf 22 Prozent zurück. Wichtigster Markt ist Deutschland mit 36 Prozent, gefolgt von Nordamerika mit 34 Prozent. Insgesamt hat Bench weltweit 2300 Verkaufsstellen sowie einige Shops in Nordamerika und ist auch in etlichen Outlets zu haben.
Sälzer sieht Bench als Trendmarke, die vor allem bei „social butterflies“punkten soll. Das sind junge Leute, die „klare Vorstellungen von ihrem Look haben, sehr präsent in den sozialen Medien sind, einen aktiven und urbanen Lebensstil pflegen, mehreren Gruppen angehören und ständig unterwegs sind“, heißt es in einer Firmenpräsentation. Deren Markenloyalität ist naturgemäß gering, ihre Vorlieben ändern sich schnell. Bekannt geworden ist die Marke, weil prominente Musiker wie Lady Gaga, Robby Williams oder Oasis Bench-Klamotten trugen. „Mit der Verpflichtung der britischen Sängerin Jess Glynne hatten wir Glück“, meint Sälzer. „Zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung erhielt sie einen Grammy. Das hat uns sehr geholfen.“Doch zwölf Monate später musste was Neues her: Jetzt hat Bench die amerikanische Gruppe Rudimental unter Vertrag. In der schnelllebigen Branche werden vor allem soziale Medien wie Instagram, Snapchat oder Facebook bespielt.
Die Neuausrichtung betraf auch Lieferanten. „Wir haben heute überwiegend Lieferanten mit eigenen Entwicklungsabteilungen, so dass eine ständige Innovation bei Materialien und in der Fertigung möglich ist.“Produziert wird die Ware, „wie bei allen anderen Herstellern“, in China, Bangladesch, Indonesien, Indien und in der Türkei. Man orientiere sich dabei an den „Großen“wie Adidas oder Boss und habe strenge Richtlinien, mit denen man Kinderarbeit oder unzumutbare Arbeitsbedingungen verhindern wolle.
Sälzer sieht den weltweiten Markt im Bench-Segment bei 70 bis 90 Milliarden Dollar. „Es gibt da keinen ganz dominanten Anbieter.“Konkurrenten sind etwa Adidas Originals oder Superdry, die deutlich größer sind. Preislich ist Bench klar niedriger positioniert als Sälzers frühere Arbeitgeber. Ein Hoodie kostet 59 bis 69 Euro, das teuerste Produkt, eine Outdoor-Jacke, 279 Euro.