Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ziel: weniger Milch nur in der Krise
Bund Deutscher Milchviehhalter schildert Probleme – Landwirte zehren an ihrer Substanz
- Der Kreisverband im Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert, dass der gerade halbwegs stabile Milchpreis durch ein anderes Kriseninstrument als den Milchpulverberg gehalten werden solle. Nach wie vor sei auch der aktuelle Milchpreis von 35 Cent pro Liter zu gering, erklärt der Biberacher Kreisvorsitzende Joachim Barth. Die Landwirte zehrten immer noch von ihrer Substanz, da könnten sie ein Damoklesschwert wie den Milchpulverberg und einen deregulierten Markt nicht gebrauchen.
Der Hof der Arnolds, auf den die BDM-Vertreter eingeladen hatten, ist so ein Familienbetrieb, der sich gänzlich der Milch- und Mastwirtschaft verschrieben hat. Hans und Christa Arnold bewirtschaften den Hof als erste Generation im Vollerwerb und die nächste, ihre drei Kinder, arbeitet mit. Dabei stand der Betrieb vor fünf Jahren sogar auf der Kippe, als ein Feuer ihre Stallungen in Mietingen zerstörte. Doch die Arnolds, die den Hof gerade ausgebaut hatten, wollten nicht aufgeben und errichteten neue, moderne Ställe am Rande des Dorfs. 200 Rinder, darunter 85 Milchkühe, kamen darin unter. 85 Hektar Land liefern den Hauptteil des Futters für die Tiere. Ein Melkroboter, den die Kühe selbst „bedienen“, pumpt die Milch ab, Bullen liefern das Fleisch für den Verkauf. Davon lebt die Familie, arbeitet sich zäh durch alle Milchpreiskrisen.
„Nein, wir bereuen den Schritt nicht“, beteuert Hans Arnold, während er mit geübtem Schwung Kraftfutter an die Masttiere verteilt. Aber dieses Landwirtsleben sei sehr arbeitsreich. Zwölf bis 15 Stunden täglich sind die Arnolds für ihren Hof im Einsatz, „um zu kompensieren, was der Preis nicht hergibt“. Dazu zählen nicht nur die Stallarbeit, die Feldbestellung und die Ernte. „Wir machen möglichst viel selbst. Das spart.“Aber solcher Einsatz könne auf Dauer nicht reichen, verdeutlichen die Milchbauern.
Während in anderen Wirtschaftsbereichen die Förderung nach einer Vollkostenrechnung ermittelt werde, sei das bei Milchbauern anders. Dabei müssten sie eigentlich 48 Cent pro Liter erhalten, habe eine Vollkostenrechnung ergeben. Bei 35 Cent liegt der Preis aktuell. Auch wünsche man sich mehr Gehör an den Schaltstellen
MIETINGEN
in Berlin, etwa wie die Autoindustrie, hieß es in Anspielung auf den gerade absolvierten „Dieselgipfel“. „Wir kleinen Milchbauern haben nicht so eine Lobby“, kam als Kritik über den Tisch.
Überproduktion statt Milchquote
Die Vorgeschichte der neuen Kritik ist bekannt: Als die von vielen Landwirten gehasste Milchquote auslief und kurz darauf das Embargo gegen Russland anlief, sei passiert, was viele fürchteten, erklärt der BDM-Kreisvorsitzende Barth: Starke Überproduktion drückte den Milchpreis immer weiter. Doch die Hilfe der EU sei falsch gewesen, kritisiert der BDM heute: Die Aufkäufe der EU zur Stützung des Preises hätten nur zu dem Milchpulverberg geführt, der nicht nur die Strukturen der Überproduktion bestärkt habe, sondern auch noch den Markt bedrohe.
„Wohin mit dem Milchpulver?“, fragt Joachim Barth. Würde es zu einem Dumpingpreis in die Milchwirtschaft verkauft, würde der Preis sofort verfallen. Es einfach zu vernichten, gehe auch nicht. Abgesehen von ethischen Gründen würde das den Markt für Milchpulver stören. Forderung des BDM: Das Pulver soll als hochwertige Futterbeimischung verfüttert werden. Das ginge zulasten ausländischer Lieferanten für Futtermittel, aber irgendwo zwicke es halt immer.
Stattdessen wünsche der BDM auf EU-Ebene eine Bremse für die Milchproduktion, wenn der Markt voll ist – so wie sie auch schon einmal eingesetzt worden sei. Bis zu drei Prozent sei die Produktion steuerbar – für Ausfälle erhielten die teilnehmenden Landwirte finanzielle Entschädigung. Dadurch steige im Krisenfall der Preis: um bis zu fünf Cent je Prozent Produktionsausfall. Alleine: Mit diesem Vorschlag stoße der BDM nicht überall auf offene Ohren – auch nicht beim baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), der, so Joachim Barth, wenig „Hang zur Flexibilität“habe.
Sohn „soll es nicht bereuen“
Die Zukunft ist es, die dem Landwirt Hans Arnold eher Sorgen macht. „A bissle schon“, gesteht er bei der Frage, ob er Angst habe. Aber nicht unbedingt um sich, sondern um seinen Sohn Eric. Der 13Jährige ist bereits aktiv auf dem Hof und er zeigt großes Interesse, den Betrieb später einmal zu übernehmen. So sehr der Vater sich darüber freut, lassen ihn Zweifel nicht los: „Er soll die Entscheidung nicht bereuen.“