Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wenig Hoffnung für inhaftierte deutsche Journalistin Tolu
Außenminister Gabriel setzt auf Diplomatie – Präsident Erdogan zeigt sich unbeeindruckt
ULM/BERLIN
- Es gibt weiterhin nur wenig Signale, die auf eine baldige Freilassung der in der Türkei inhaftierten deutschen Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu hindeuten. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte der „Schwäbischen Zeitung“am Rande einer SPD-Wahlveranstaltung in Ulm am Montag, er setze auf wirtschaftlichen Druck, Reisewarnungen und einen Investitionsstopp. Gleichzeitig dürfe der Gesprächsfaden mit der Türkei nicht durchtrennt werden, warnte er.
Vorschläge, die diplomatischen Beziehungen zu beenden oder die Nato-Mitgliedschaft der Türkei infrage zu stellen, seien nicht zielführend. „Ich bin nicht sicher, ob Frau Tolu davon irgendwas hat. Die Gefahr ist nur, dass, wenn die Konflikte immer schärfer werden, dass sie länger im Gefängnis ist“, sagte Gabriel. Tolu, die am heutigen Dienstag genau 100 Tage in Haft sitzt, werden „Terrorpropaganda“und „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“vorgeworfen. Der 33-Jährigen drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Die deutsche Diplomatie setze auf die persönliche Ansprache Tolus, so Gabriel weiter: „Wir betreuen sie weiter konsularisch, wir sind mit ihren Anwälten im Gespräch.“Aber sie befinde sich in einem Land, „auf das wir unmittelbar keinen Einfluss haben, so bitter das ist.“Die Situation in der Türkei habe sich verschlechtert.
In der Türkei sind nach dem gescheiterten Putschversuch vor gut einem Jahr mehrere Deutsche festgenommen worden, denen Terrorismus-Vorwürfe gemacht werden. Darunter sind neben Tolu der Journalist Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner. Außenamtssprecher Martin Schäfer beklagte am Montag, dass sich die Haftbedingungen Steudtners nach der Verlegung in ein Untersuchungsgefängnis deutlich verschlechtert hätten. „Das alles ist schrecklich und wächst sich tatsächlich aus, auch zu einem humanitären Drama“, sagte er.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf derweil bei einer Rede in der Schwarzmeerstadt Rize Deutschland erneut vor, türkische Terroristen nicht auszuliefern. „Nur den Terroristen bietet dieses Deutschland Unterschlupf“, sagte er. Gleichzeitig fordere die Bundesregierung die Freilassung deutscher „Terroristen“in der Türkei.
Auch versprach er in Rize, aus der Türkei einen fortschrittlicheren Staat als Deutschland zu machen. Er wandte sich an Türken, die in ihre Heimat zurückkehren wollen: „Sie werden sagen: Mein Land hat es überholt.“Er sprach von einem modernen, zivilisierten und unabhängigen Staat.