Schwäbische Zeitung (Biberach)
Niedersachsen nimmt Kurs auf Neuwahl
Harter Schlagabtausch im Landtag – Umfrage sieht keine Mehrheiten
HANNOVER (AFP) - Begleitet von heftigen gegenseitigen Vorwürfen zwischen dem bisherigen Regierungslager und der Opposition hat der Landtag von Niedersachsen seine Selbstauflösung in die Wege geleitet. Am Donnerstag berieten die Abgeordneten in einer Sondersitzung über den gemeinsamen Antrag, der eine vorgezogene Neuwahl am 15. Oktober ermöglichen und die vom Wechsel einer Parlamentarierin von den Grünen zur CDU ausgelöste politische Krise beenden soll.
Die überraschende Entscheidung der Abgeordneten Elke Twesten kippte rund fünf Monate vor dem regulären Landtagswahltermin die Einstimmenmehrheit der rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Er und andere Vertreter von Rot-Grün warfen Twesten und der CDU im Landtag vor, mit dem Übertritt politische Kultur und Demokratie beschädigt zu haben.
Die CDU wies dies in der hitzigen und von vielen Zwischenrufen unterbrochenen Diskussion zurück und warf der Landesregierung ihrerseits vor, einen demokratischen Vorgang zu diskreditieren. Über den Selbstauflösungsantrag abgestimmt wird im Landtag erst am 21. August, weil laut Landesverfassung zuvor eine Karenzzeit von mindestens elf Tagen einzuhalten ist.
Weil sprach von einem „Tiefpunkt“, der der Demokratie geschadet habe. Es gehe nur um einen „inhaltsfreien Machtkampf“. Mit Blick auf Spekulationen über mögliche CDU-Angebote an Twesten forderte Weil Aufklärung. „Das ist kein normaler Vorgang, über den wir hier reden.“Die Vorwürfe dürften nicht unbeantwortet bleiben. Er bezog sich dabei ausdrücklich auch auf die am Wochenende parallel dazu in einem Bericht der Zeitung „Bild am Sonntag“erhobenen Vorwürfe, er habe 2015 eine Regierungserklärung zur Abgasaffäre beim niedersächsischen Autobauer VW mit diesem abgestimmt.
SPD und Grüne würden nach einer neuen Umfrage derzeit allerdings ebenso wenig wie CDU und FDP eine Mehrheit haben. Die Regierungsbildung nach der Neuwahl könnte also schwierig werden. Die Landtagswahl war ursprünglich für Anfang Januar 2018 geplant.