Schwäbische Zeitung (Biberach)
Abgekartetes Spiel
Im Verkaufspoker um Air Berlin hat ein Interessent von vornherein die besten Aussichten
BERLIN/FRANKFURT (dpa) - Mit hohem Tempo gehen die Verkaufsverhandlungen um die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft Air Berlin in die entscheidende Phase. Das Unternehmen spricht mit der Lufthansa und mindestens zwei weiteren Interessenten. Die Bundesregierung unterstützt eine Aufteilung in mehrere Unternehmensteile, betont aber auch, wie wichtig eine starke internationale Stellung der Lufthansa sei. Interesse an der Air-Berlin-Erbmasse sollen außerdem die Gesellschaften Easyjet, Condor, Tuifly sowie der frühere LTU-Eigner Hans-Rudolf Wöhrl bekundet haben. Etliche Probleme müssen noch aus dem Weg geräumt werden.
In trockenen Tüchern ist bislang nur wenig: Die Lufthansa hat sich bereits im vergangenen Jahr ein gutes Viertel der 144 Air-Berlin-Jets gesichert. 38 Maschinen sind für die Lufthansa-Töchter Austrian und Eurowings unterwegs. Sie werden zwar mit Air-Berlin-Crews geflogen, gehören aber dem Lufthansa-Konzern oder sind von diesem neu angemietet worden. Nach Einschätzung des Luftverkehrsexperten Gerd Pontius wird diese Einheit mit einer eigenen Betriebsgenehmigung ausgelagert. Den Mitarbeitern werden unter Berücksichtigung ihrer Berufserfahrung Eurowings-Tarifverträge angeboten.
Konkurrenz sieht sich im Nachteil
Der Kranich-Konzern hat großen Einfluss auf den Fortgang der weiteren Gespräche. Mit Chef Thomas Winkelmann an der Spitze wird Air Berlin längst von einer Riege ehemaliger Lufthanseaten geführt. Lufthansa sitzt darüber hinaus im Gläubigerausschuss, weil man der Air Berlin im vergangenen Dezember 130 Millionen Euro Vorschuss für die in den folgenden sechs Jahren abzuleistenden Leasing-Flüge gezahlt hat. Der Ausschuss entscheidet letztlich über die Transaktionen. Dass der LufthansaVertreter
dort die Angebote der Konkurrenz nicht zu sehen bekommen soll, überzeugt längst nicht alle. „Die Bieter müssen dort komplett die Hosen runterlassen, und die Lufthansa kann in Ruhe die Geschäftsmodelle studieren“, schimpft ein Beteiligter.
Die am heftigsten umkämpfte Perle im Air-Berlin-Portfolio ist der österreichische Touristikflieger Niki mit seinen geringen Kosten und einer modernen Airbus-Flotte. Dem Vernehmen nach sind sämtliche Bieter an der einst von Rennfahrer Niki Lauda gegründeten Gesellschaft interessiert, die noch im Sommer in einem Gemeinschaftsunternehmen mit der Tuifly aufgehen sollte. Es herrscht hoher Zeitdruck, weil die Reiseveranstalter gerade ihre Sitzplatz-Order für den kommenden Sommer planen. Zeichnet sich nicht
bald eine Lösung für die Niki ab, würde sie diesen wichtigen Teil des Geschäftes im kommenden Jahr möglicherweise verlieren.
Ebenfalls umworben sind 17 Langstreckenjets, die von Düsseldorf und gelegentlich auch von Berlin zu touristisch attraktiven Fernzielen fliegen. Sie würden perfekt in die Langstreckenflotte der Eurowings passen, die ähnliches mit lediglich sechs Flugzeugen bislang von Köln und München anbietet. Viele Crewmitglieder haben allerdings noch gut dotierte Arbeitsverträge aus Zeiten der LTU, die 2007 von Air Berlin übernommen worden war. Diese Gehälter könnten nicht weitergezahlt werden, heißt es dazu aus Lufthansa-Kreisen.
In den Verhandlungen müssen Wettbewerbsrechtliche Aspekte stets mitgedacht werden, schließlich wird
der Deal auf europäischer Ebene überprüft. Die EU-Kommission hat in der Vergangenheit stets die Marktmacht der neu entstehenden Anbieter auf einzelnen Strecken überprüft und im Zweifel die Abgabe einzelner Verbindungen angeordnet.
Lufthansa könnte zu stark werden
Dem irischen Billigflieger Ryanair, der nun gegen die geplante Teilübernahme von Air Berlin durch die Lufthansa zu Felde zieht, untersagten die Wettbewerbshüter einst die bereits angeleierte Übernahme der irischen Fluglinie Aer Lingus, um den Wettbewerb zu sichern. Die Lufthansa droht nun an den Flughäfen Berlin und Düsseldorf, die bislang zu etwa einem Drittel von Air Berlin belegt sind, zum dominanten Anbieter vor allem der innerdeutschen Strecken aufzusteigen.