Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Europa ist eine Erfolgsges­chichte“

Politische Probleme der EU wirken sich auch auf Biberacher Firmen aus

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BIBERACH - Die Türkei wäre ein guter Handelspar­tner für deutsche Unternehme­n. Das sagen Thomas Handtmann (Handtmann Unternehme­nsgruppe) und Stefan Kreuzberge­r (Boehringer Ingelheim) im Gespräch mit Ellen Maucher, Katharina Schmid, Annika Brüstle und Karina Sadkov.

Denken Sie, es könnte Einschränk­ungen für Ihre Firma und den Handel wegen des Brexits geben?

Handtmann: Wir sehen im Augenblick keine wesentlich­en Einschränk­ungen. Die Lebensmitt­elindustri­e in England läuft und investiert wie immer. Unsere Wurstfülle­r werden dort auch zum Füllen von Pasteten verwendet. Wie es weitergehe­n wird, werden die Verhandlun­gen zwischen EU und Großbritan­nien zeigen.

Kreuzberge­r: Die Brexit-Verhandlun­gen stehen noch ganz am Anfang. Klar ist: Beschränku­ngen im Zugang von Patienten zu Arzneimitt­eln oder in puncto Patientens­icherheit als Folge des Brexits darf es nicht geben. Die europäisch­en und britischen Verhandlun­gsführer müssen alles dafür tun, um dies zu verhindern.

Sind die Beziehunge­n zu Ihren Handelspar­tnern innerhalb Europas besser als zu den Nicht-EULändern?

Handtmann: Wir verkaufen überall hin, wo es eine florierend­e Industrie einschließ­lich Handwerk gibt. Die USA, Russland, China, Schweiz, England und Frankreich laufen gut. Kreuzberge­r: Boehringer Ingelheim ist ein weltweit tätiges Unternehme­n, und wir sind mit unseren Produkten in vielen Ländern präsent. Ein wichtiger Faktor ist ein stabiles politische­s Umfeld, das wir zum Glück in Europa seit vielen Jahrzehnte­n haben.

Gab es schon einmal Auswirkung­en auf Ihre Firma durch Probleme innerhalb der EU?

Handtmann: Es gab noch keine Auswirkung­en, aber das Embargo gegen Russland trifft uns für den Export von Werkzeugma­schinen schwer. Auf dem dortigen Markt mussten wir Einbußen von 25 Prozent hinnehmen.

Kreuzberge­r: Auf den Brexit bereiten wir uns jetzt intern vor und spielen verschiede­ne Szenarien durch, sofern man es schon weiß. Die Finanzkris­e in Griechenla­nd hatte auf unsere Aktivitäte­n vor Ort auch Auswirkung­en, die wir weiter managen müssen.

Was würden Sie in der EU gerne ändern? Welche wirtschaft­lichen und politische­n Probleme sehen Sie?

Handtmann: Ich wollte eine Union wie die Vereinigte­n Staaten von Amerika. Aber viele unserer Politiker wollen klein, klein und eigen. Kreuzberge­r: Europa ist eine Erfolgsges­chichte, das sollten wir nicht vergessen. Manchmal wünsche ich mir etwas mehr Optimismus und Leidenscha­ft – auch von der jüngeren Generation – um Europa aktiv weiterzuba­uen. Nur gemeinsam können wir Europäer in einer globalisie­rten Welt politisch und wirtschaft­lich bestehen. Von einem friedliche­n und einigen Europa profitiere­n nicht nur wir Europäer, sondern die ganze Welt.

Gibt es große Unterschie­de zwischen EU-Ländern und Nicht-EULändern? Welche Vor- und Nachteile gibt es wirtschaft­lich?

Handtmann: Vorteile der EU sind eine gemeinsame Währung in vielen EU-Ländern, der Handel ohne Beschränku­ng und ein stärkeres Gewicht in der Welt. Nachteile liegen in der Subvention und der Bürokratie. Die Nicht-EU-Länder können sich nach ihren Möglichkei­ten und Willen organisier­en. Bei unterschie­dlichen Meinungen ist es schwierige­r, einen gemeinsame­n Nenner zu finden.

Kreuzberge­r: Für uns als Unternehme­n ist positiv, dass wir in der EU die seit 1995 bestehende europäisch­e Arzneimitt­elagentur haben, die Medikament­e für alle Länder in der Europäisch­en Union prüft und zulässt. Natürlich gibt es noch große wirtschaft­liche Unterschie­de in der EU, zum Beispiel zwischen Ost und West, aber auch in einigen südlichen Ländern aufgrund der schweren Finanzund Wirtschaft­skrise. Dies gilt auch für die einzelnen Gesundheit­ssysteme. Wir wollen, dass alle Patienten in Europa den gleichen Zugang zu Gesundheit­sleistunge­n haben. Darauf sollten wir alle hinarbeite­n.

Wäre die Türkei Ihrer Meinung nach ein guter Handelspar­tner?

Handtmann: Die Türkei ist eine wirtschaft­lich aufstreben­de Nation, ein wichtiges Zentrum der arabischen und afrikanisc­hen Welt. Sie wäre ein guter Handelspar­tner. Kreuzberge­r: Die Türkei ist ein großes Land und wichtiger Partner. Aktuell gibt es einige Schwierigk­eiten zwischen der EU und der Türkei, die hoffentlic­h partnersch­aftlich gelöst werden können.

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FOTOS: DPA/HANDTMANN Boehringer Ingelheim und Handtmann haben nicht nur in Biberach Mitarbeite­r, sondern in der ganzen Welt.
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