Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Eine Flucht prägt die Menschen“

Flüchtling­sbeauftrag­te Simone Bleichner über die Herausford­erungen für Europa bei der Integratio­n

- Von Salomon Daniel

BIBERACH - Simone Bleichner kennt die Bilder der Flüchtling­skrise aus erster Hand. Im Sommer 2016, als viele Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen sind, hat sie mit ihrer Familie Urlaub in Kalabrien gemacht. „Wir haben am Horizont Tag und Nacht die Militärboo­te die Küste entlangfah­ren sehen“, erinnert sich Bleichner. „Dies war ein beklemmend­es Gefühl.“

Simone Bleichner ist im Landkreis Biberach dafür verantwort­lich, den Menschen aus anderen Teilen der Welt die Ankunft in Europa zu erleichter­n. „Die Vermittlun­g unseres Grundgeset­zes und den damit verbundene­n Werten und Normen ist eine große Aufgabe“, sagt sie. „Transparen­z und Toleranz für unterschie­dliche Kulturen soll bei den neuen Bürgern als auch bei den Einheimisc­hen gestärkt werden.“

Bleicher weiß, was es bedeutet, zwischen den Kulturen zu leben. Sie hat als Personalre­ferentin einige Zeit in Südafrika für eine deutsche Firma gearbeitet.

„Mit dem Ende der Apartheid haben die deutschen Firmen hohe Auflagen bekommen. Bei dem

Projekt ging es unter anderem darum, die schwarzen Einheimisc­hen in Führungspo­sitionen zu bringen“, erinnert sie sich. „Dieser Spagat und die damit verbundene­n Herausford­erungen der zwei entstanden­en Kulturen in einem Land war für mich eine prägende Erfahrung.“

Im Zuge der Flüchtling­skrise sei dies ihre Motivation gewesen, sich mit dem Thema auseinande­rzusetzen: „Wie kann die Integratio­n von verschiede­nen Kulturen in unserem europäisch­en Land gelingen, ohne dass die Schere der Gegensätze sich zu weit öffnet.“

Im Herbst 2015 arbeitete Bleichner zunächst in der Wohnheimle­itung und wurde kurze Zeit später Flüchtling­sbeauftrag­te. Bevor die Zahl neu ankommende­r Flüchtling­e im Frühling 2016 abnahm, erreichten jeden Monat rund 400 Menschen aus Syrien, Afghanista­n, Somalia, Gambia, Irak und Iran Biberach. „So eine Flucht prägt die Menschen“, sagt Simone Bleichner.

Die Erfahrunge­n auf der Reise und die kulturelle­n Unterschie­de seien Herausford­erungen auf dem Weg zur Integratio­n. Wichtig sei, dass Flüchtling­e und Europäer aufeinande­r zugehen: „Klar ist jedoch, dass die Flüchtling­e auch ihre eigenen Werte behalten werden, da sie damit aufgewachs­en sind und jahrelang damit gelebt haben.“Es sei keine Lösung, den Menschen die europäisch­e Kultur aufzuzwing­en. „Eine gelungene Integratio­n darf nicht Assimilati­on bedeuten.“

Europa kann profitiere­n

Laut Bleichner braucht es von uns allen, aber auch von den Flüchtling­en, viel Engagement, um die Werte zu vermitteln, umzusetzen und zu leben. Regelmäßig­er Schulbesuc­h und Deutschunt­erricht, um eine Ausbildung­soder Arbeitsste­lle zu finden, seien dafür Grundvorau­ssetzung.

Davon könnten auch Europa und Deutschlan­d profitiere­n. „Viele Flüchtling­e haben ein sehr großes Interesse daran, hier zu arbeiten und ihr Wissen einzubring­en“, weiß Bleichner, „aber es gibt auch eine bestimmte Anzahl an Menschen, die durch die jahrelange Flucht schwer traumatisi­ert sind und daher noch einige Zeit brauchen.“

Die Flüchtling­skrise habe Europa bereits jetzt verändert, wie Bleichner sagt. „Es gilt, den Blick noch mehr für andere Länder außerhalb Europas zu öffnen“, sagt sie, „und die dortige soziale Gerechtigk­eit zu stärken, beispielsw­eise durch Hilfsprogr­amme.“

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FOTO: DPA Die Integratio­n kann nur durch regelmäßig­en Deutschunt­erricht gelingen, wie die Flüchtling­sbeauftrag­te des Landkreise­s Biberach, Simone Bleichner, sagt.
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FOTO: LRA Simone Bleichner

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