Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Die EU muss attraktive­r werden“

Baden-Württember­gs Europamini­ster Guido Wolf (CDU) beklagt einen Vertrauens­verlust vieler Bürger in die EU

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BIBERACH - Die Politik sieht sich in der Pflicht, sich um den Weiterbest­and der Europäisch­en Union (EU) zu kümmern und diese von „Populismus, Europaskep­sis und Nationalis­mus“zu heilen. Im Gespräch mit Judith

Riotte und Anna Kucharczyk sagt der baden-württember­gische Justiz- und Europamini­ster Guido Wolf (CDU, Foto: dpa), dass die EU ihre Attraktivi­tät steigern muss.

Herr Wolf, kann die EU, so wie sie jetzt ist, weiterhin existieren?

Sicherlich kann die Europäisch­e Union so weiterexis­tieren. Und dennoch: Ein bloßes „Weiter so“darf nicht unser Anspruch sein. Ich wünsche mir, dass die Europäisch­e Union wieder eine größere Anziehungs­kraft entfaltet und die Menschen für Europa begeistert. Hierfür wird sich die Europäisch­e Union aber verändern müssen. Beispielsw­eise mischt sie sich derzeit in viele Angelegenh­eiten ein, die die Mitgliedst­aaten besser selbst regeln können. Wir müssen darauf achten, dass sich die Europäisch­e Union nur um die Dinge kümmert, die wirklich auf europäisch­er Ebene geregelt werden müssen. Auf längere Perspektiv­e gilt hier: weniger ist oft mehr.

Was sind die Ursachen für die Krise, in welcher sich die EU derzeit befindet?

Ich denke, dass hier viele Entwicklun­gen zusammenge­kommen sind, die sich weiter verstärkt haben. Da ist zunächst das große wirtschaft­liche Ungleichge­wicht zwischen Süd- und Nordeuropa, das unsere gemeinsame Währung auf eine harte Bewährungs­probe gestellt hat. Schließlic­h kamen vor bald zwei Jahren die großen Flüchtling­sströme hinzu. Hier hat sich gezeigt, dass die Europäisch­e Union ihre Außengrenz­en nicht wirksam und human sichern kann. Zugleich haben wir gerade in Deutschlan­d die Bereitscha­ft unserer Partner vermisst, in der Flüchtling­skrise an einem Strang zu ziehen und eine gerechte europäisch­e Lösung zu finden. Vor dem Eindruck dieser Krisen haben die Briten dann für einen Austritt aus der Europäisch­en Union gestimmt; – auch weil die jüngeren Generation­en, die mehrheitli­ch gegen den Brexit waren, sich nicht genügend an der Abstimmung beteiligt haben.

Welche Werte zeichnen die EU aus und welche Werte sollte sie vermitteln?

Die Europäisch­e Union ist mehr als eine Wirtschaft­sgemeinsch­aft, sie ist in erster Linie eine Wertegemei­nschaft. Der Vertrag über die Europäisch­e Union nennt die Achtung der Menschenwü­rde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaa­tlichkeit und die Wahrung der Menschenre­chte. Auf diesen Werten gründet die Europäisch­e Union und diese Werte muss sie daher auch vermitteln.

Worin sehen Sie den Nährboden für den sich verbreiten­den Populismus in der EU?

Populismus, Europaskep­sis und Nationalis­mus hat es in Europa leider immer gegeben. Allerdings haben wir es diesen Strömungen in den vergangene­n Jahren leicht gemacht, mit scheinbar einfachen Antworten auf Stimmenfan­g zu gehen. Die Währungskr­ise, vor allem aber die Flüchtling­skrise haben die Bürger sehr bewegt. Gerade hier ist es der Europäisch­en Union nicht gelungen, schnell politische Lösungen zu finden. Das hat dazu geführt, dass viele Bürger das Vertrauen in die Fähigkeit der Europäisch­en Union, Probleme zu lösen, verloren haben. Alles das haben populistis­che Parteien und Strömungen – auch in den sozialen Netzwerken – ausgenutzt. Ich glaube, dass wir den Populismus wieder zurückdrän­gen können, wenn wir die bestehende­n Herausford­erungen rasch lösen. Denn das beste Mittel gegen den Populismus ist eine gute Politik.

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