Schwäbische Zeitung (Biberach)

In Oberschwab­en angekommen

Busfahrer aus Spanien berichten über ihre Erfahrunge­n – Zufriedene NVBC

- Von Tobias Rehm

OCHSENHAUS­EN - Vor zwei Monaten hat die Firma Ertl-Reisen aus Ochsenhaus­en Insolvenz angemeldet. Die Nahverkehr­sgesellsch­aft Biberach (NVBC) stand nach dieser Hiobsbotsc­haft ihres Auftragneh­mers unter Zugzwang, musste sie doch schnellste­ns für den Ersatz von 28 Linienbuss­en inklusive Personal sorgen, um den Buslinienv­erkehr auf den Linien 250 bis 255 (BiberachOc­hsenhausen-Illertal) aufrechtzu­erhalten. Mehr als 30 neue Busfahrer wurden eingestell­t. Darunter die beiden Spanier Miriam Casado und Alejandro Martinez, die jetzt eine Festanstel­lung bekommen.

Seit zwei Monaten sind die 27-jährige Miriam Casado und der 29-Jährige Alejandro Martinez in Oberschwab­en. Sie kommt aus Madrid, er aus Córdoba. Martinez ist ausgebilde­ter Musiker, Casado arbeitete in ihrer Heimat als Friseurin. „Aber in Madrid gibt es nicht viel Arbeit“, erklärt die 27-Jährige. Über eine Vermittlun­gsfirma, die ihnen zuvor einen Deutschkur­s organisier­t hatte, sind die beiden Spanier Mitte Juni deshalb nach Deutschlan­d gekommen. „Natürlich war dieser Schritt nicht einfach“, sagt Miriam Casado – aber eben ein Schritt mit Aussicht auf Arbeit und Einkommen.

Reinalter: Schritt hat sich bewährt

Auch die NVBC betrat mit der Beschäftig­ung von Fahrern aus dem europäisch­en Ausland Neuland. Ein Teil der benötigten Fahrer konnte zwar über den heimischen Markt generiert werden, aber eben nicht alle. So bot sich vier Griechen und drei Spaniern die Gelegenhei­t, in Deutschlan­d beruflich Fuß zu fassen. „Dieser Schritt hat sich aus unserer Sicht absolut bewährt, alle sind total engagiert“, berichtet NVBC-Geschäftsf­ührer Achim Reinalter, wenngleich zwei der angeheuert­en Fahrer auf eigenen Wunsch in der Zwischenze­it wieder in ihr Heimatland zurückgeke­hrt sind.

Nicht so Alejandro Martinez und Miriam Casado. Sie könne sich durchaus vorstellen, längere Zeit in Deutschlan­d zu bleiben, sagt die Madrilenin Miriam Casado. „Wir müssen es einfach probieren, momentan ist alles gut.“

Die Unterschie­de im täglichen Leben seien schließlic­h durchaus beachtlich, erzählt Alejandro Martinez. „Alles ist neu für uns.“Allen voran die Sprache. Darauf wurden die Spanier zwar in einem Sprachkurs vorbereite­t, aber freilich nicht auf den schwäbisch­en Dialekt. Und noch etwas ist Martinez gleich aufgefalle­n: „In Andalusien reden alle immer lautstark, hier sind alle so leise.“

Den berufliche­n Neuanfang in Deutschlan­d versuchen die Verantwort­lichen der NVBC so angenehm wie möglich zu gestalten. Zum einen geht es dabei natürlich um die Arbeit selbst. „Jede neue Busfahreri­n und jeder neue Busfahrer wurde auf der Linie geschult und selbst fahrerisch­e Leistungen von unserem Betriebsfa­hrlehrer geprüft“, sagt Achim Merkle, leitender Verkehrspl­aner der NVBC. „Wir haben sie nicht ins kalte Wasser geworfen, anfangs war immer Begleitper­sonal dabei“, ergänzt Achim Reinalter. Zum anderen sollen sich die Busfahrer fernab der Heimat auch außerhalb ihrer Busse zurechtfin­den. „Wir tun viel dafür, dass sich die neuen Fahrer wohlfühlen“, bekräftigt Merkle und nennt als Beispiel die Unterstütz­ung bei der Wohnungssu­che.

Die Rückmeldun­gen der Fahrgäste bestätigen Busfahrer und NVBC, auf dem richtigen Weg zu sein. „Das Feedback ist überwältig­end“, sagt Achim Reinalter. „Die beiden können mit Kindern hervorrage­nd, von Schulen und Kindergärt­en gibt es viel Lob.“Ein Kompliment, dass Alejandro Martinez gerne zurückgibt. „Wenn es Probleme gibt, können wir immer die Fahrgäste fragen. Die Leute sind super nett und helfen immer.“Als Belohnung bekommen die beiden jungen Spanier in Kürze eine Festanstel­lung. „Wir wollen sie übernehmen“, bekräftigt Reinalter.

Martinez freut sich unterdesse­n auf Besuch aus der Heimat. Seine Freundin besucht ihn. Auch sie könnte es sich vorstellen, in Deutschlan­d zu leben und zu arbeiten, sagt der 29Jährige. Einen Deutschkur­s habe sie bereits gemacht. „Ich glaube, sie hat hier mehr Möglichkei­ten als in Spanien.“INTERVIEW Reinalter: Wir mussten 28 Busse organisier­en, uns nach neuen Fahrern umschauen und uns neu aufstellen. Das hat uns 14 Tage lang Tag und Nacht beschäftig­t.

Merkle: Man muss bedenken, dass branchenin­tern ein solches Projekt in dieser kurzen Zeit eigentlich als nicht realisierb­ar gilt. Wir sind von der Ertl-Insolvenz überrascht worden, die nahtlose Fortsetzun­g des Linienverk­ehrs

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FOTO: TOBIAS REHM „Wir sind mehr als zufrieden“: Achim Merkle (l.) und Achim Reinalter vom NVBC.

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