Schwäbische Zeitung (Biberach)
Merkel langweilt sich im Wahlkampf nicht
Bundeskanzlerin bei Sommerpressekonferenz – Diesel im Mittelpunkt
BERLIN - 26 Tage sind es noch bis zur Bundestagswahl, vier Tage bis zum großen TV-Duell mit Herausforderer Martin Schulz. Kanzlerin Angela Merkel hatte ihre Teilnahme davon abhängig gemacht, dass alles beim Alten bleibt, während die Sender einiges ändern wollten. Der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender hatte daraufhin geschimpft: „Merkel macht einen Wahlkampf im Schlafmodus. Ein Fernsehduell, das Funken schlägt, würde nur stören.“Merkel verteidigte ihre Haltung. „Ich finde, dass sich die Formate in der Vergangenheit bewährt haben.“
Alle Jahre wieder stellt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn oder zu Ende der Sommerpause den Fragen der Berliner Journalisten. Während am Vortag zu Martin Schulz’ Vorstellung seiner nationalen Bildungsallianz nur rund 30 Journalisten ins Willy-Brandt-Haus kamen, warten 210 Korrespondenten in der Bundespressekonferenz auf die Kanzlerin.
Ihre Wiederwahl gilt bereits als so sicher, dass sie schon gefragt wurde, ob der Wahlkampf sie nicht langweile. Nein, sie langweile sich nicht, so Merkel. „Meine Definition von Wahlkampf ist, dass wir verstärkt den Menschen das nahebringen, was wir uns für die Zukunft gedacht haben.“Und sie könne sich nicht beklagen, dass niemand zu ihren Darlegungen komme.
Merkel tritt sehr selbstgewiss auf, sie räumt Thema für Thema ab, viele Neuigkeiten hat sie nicht zu verkünden. Wichtigstes innenpolitisches Thema ist die Zukunft der Automobilindustrie nach dem Dieselskandal. Am 14. September will sie an der Eröffnung der IAA teilnehmen. Bereits am kommenden Montag will sie die am meisten betroffenen Kommunen und auch Ministerpräsidenten nach Berlin einladen, um Maßnahmen gegen Stickoxide zu besprechen. Es gehe dann darum, wie man in den Kommunen Fahrverbote vermeiden kann. Merkel weiß, wie wütend viele Autofahrer sind, dass ihre Autos Wertverluste erleiden. Und sie weiß, dass die Politik einst für den Diesel geworben hat, weil er geringere CO2-Emissionen hat. „Wir können mit der Automobilindustrie nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.“Um die Klimaziele zu erreichen, kündigt Merkel aber auch einen erneuten Anlauf zur steuerlichen Förderung von Wärmedämmung von Gebäuden an.
Vor zwei Jahren sagte Merkel in der Bundespressekonferenz den berühmt gewordenen Satz „wir schaffen das“. Auch heute noch verteidigt Merkel ihre Flüchtlingspolitik. „Es war wichtig und richtig, dass wir damals die Flüchtlinge aufgenommen haben“, so Merkel. Doch genau so wichtig sei es jetzt, langfristige Strukturen zu entwickeln.
Klare Worte findet die Kanzlerin zur Türkei. Reisende müssten wissen, dass „aus nicht nachzuvollziehenden Positionen“Menschen plötzlich inhaftiert werden könnten.
Die Frage, ob sich die CDU unter ihr sozialdemokratisiert hat, beantwortet Merkel so: Die CDU habe sich verändert, weil sich die ganze Welt verändert habe. Aber die Grundwerte, die Wurzeln, seien geblieben.
Merkel ist nun zwölf Jahre im Amt und sie hat sich die Entscheidung, für weitere vier Jahre anzutreten, nicht leicht gemacht. Sie habe geprüft, ob sie die Kraft habe und die Neugier behalten habe. „Ich übe mein Amt mit Freude aus“, sagt sie jetzt.