Schwäbische Zeitung (Biberach)
Steinhaus überzeugt, Lewandowski irritiert
Ein Schiedsrichter, so heißt es oft, war dann am besten, wenn man hinterher wenig bis nichts über seine Leistung sagen kann. Insofern müsste dieser Absatz hier eigentlich schon wieder zu Ende sein, denn Bibiana Steinhaus leitete das 1:1 der Berliner Hertha gegen Werder Bremen derart souverän und unaufgeregt, dass sie auch selbst durchaus zutreffend feststellte: „Für uns ist es entscheidend, nach 90 Minuten nicht im Fokus zu stehen. Das ist uns geglückt, damit sind wir sehr zufrieden.“
Doch weil vorher eben noch nie eine Frau eine Bundesligapartie leiten durfte (wieso eigentlich nicht?) und ja auch Bibiana Steinhaus, die Nickligkeiten rigoros unterband, aber wie immer eher viel laufen ließ und bei den wenigen brenzligen Entscheidungen richtig lag, bei aller Unaufgeregtheit die Besonderheit dieses Spiels anerkennen musste, redeten hinterher natürlich trotzdem alle über die erste Hauptschiedsrichterin in der Bundesliga. „Egal, ob Mann oder Frau, wichtig ist, dass der Schiedsrichter eine starke Persönlichkeit ist. Und das hat sie auf jeden Fall gezeigt“, sagte Werders Kapitän
Thomas Delaney, der in der 59. Minute den Treffer Mathew Leckies (38.) ausgeglichen hatte. „Ich habe schon vorher gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob ein Mann oder eine Frau pfeift. Am Ende ist die Leistung entscheidend, und die war okay“, sagte Werders Trainer Alexander
Nouri. „Sie hat es gut gemacht, aber das ist auch keine große Überraschung“, lobte Hertha-Verteidiger Sebastian Langkamp. „Großer Respekt“, sagte der frühere Stuttgarter und heutige Berliner Stürmer Vedad Ibisevic. Und Steinhaus, der auf der Tribüne ihr Lebensgefährte und ehemaliger Weltklasseschiedsrichter
Howard Webb die Daumen drückte (wenn er nicht gerade ein Bier in der Hand hielt)? „Ich bin, ehrlich gesagt, erleichtert, dass es vorbei ist, und freue mich, wenn ab Montag die Normalität Einzug hält.“
Wenn Führungsspieler des FC Bayern beschließen, Interviews an der Presseabteilung des Clubs vorbei in die Öffentlichkeit zu bringen, wird es für die Interviewten zwar in der Regel zunächst etwas teuer. Doch genaues Lesen der Stücke lohnt sich immer. Auch für die Bosse. 50 000 Euro kostete dem mittlerweile als Legende zurückgetretenen Philipp
Lahm 2009 einst sein Interview in der „Süddeutschen Zeitung“, in dem er die Transferpolitik des FC Bayern kritisierte und den Vorgesetzten nicht nur eine fehlende Einkaufsstrategie, sondern auch eine mangelnde Spielidee vorwarf. Eine Rekordstrafe, die gut investiert war. Für alle Seiten. Lahm war ein paar Jahre später Kapitän einer Mannschaft, die alle Titel gewann, die es zu gewinnen gab und zudem mit einer in Deutschland so nie zuvor gesehenen Spielidee und Spielfreude in die Partien ging, dass selbst notorische Bayernhasser den Roten plötzlich Respekt zollen mussten für ihre Spielweise. Nun hat wieder ein Führungsspieler der Bayern ein Klartext-Interview mit gehörigem Sprengkraftpotential gegeben. „Bayern muss sich etwas einfallen lassen und kreativ sein, wenn der Verein weiter Weltklassespieler nach München lotsen will“, sagte
Robert Lewandowski dem „Spiegel“. „Und wenn man ganz vorne mitspielen will, braucht man die Qualität dieser Spieler.“Bis heute habe der Club aber „nie mehr als rund 40 Millionen an Ablösesummen für einen Spieler bezahlt“, eine Summe, die im internationalen Fußball längst eine sei, „die eher Durchschnitt als Spitzenwert ist“. Auch die Asienreise des Rekordmeisters im Sommer kritisierte er. Nun ist eher nicht anzunehmen, dass Lewandowski dank dieses Interviews, das die Bosse gehörig irritiert haben und eine saftige Strafe nach sich ziehen dürfte, irgendwann einmal Bayern-Kapitän werden wird. Ein paar Wahrheiten stecken aber auf jeden Fall drin. Und doch bleibt die Frage, was Lewandowski eigentlich bezwecken wollte mit seinem Interview. Zu Paris Saint-Germain oder Manchester City, den neureichen Geldverbrennerclubs, kann man sich auch leichter transferieren lassen. Und ob Mitspieler wie Corentin Tolisso so glücklich darüber sind, wenn sie indirekt als „Durchschnitt“bezeichnet werden?