Schwäbische Zeitung (Biberach)
Melancholische Tage im dunklen Tann
Erster Schwarzwald-„Tatort“mit neuem Ermittlerduo kommenden Sonntag im Ersten
RAVENSBURG - Viel zu lachen wird es in diesem neuen „Tatort“nicht geben, das ist schon klar, als die Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg zum Einsatzort fahren. Das bedrückte Schweigen im Fahrzeug verheißt nichts Gutes. Die beiden Neuen, gespielt von Eva Löbau (45) und Hans-Jochen Wagner (49), sind auf der undankbarsten Mission, die ihr Berufsleben bereithält: Sie müssen ein Elternpaar über den Tod der elfjährigen Tochter informieren. Die kleine Frieda wurde im Wald erschossen aufgefunden. Über das kleine, selbst geschaffene Paradies in der vermeintlichen ländlichen Idylle bricht das Unglück herein.
Der „Tatort“, seit mehr als 40 Jahren eine Institution der bundesrepublikanischen Abendunterhaltung, wartet mit einer Neuerung auf: In der 1029. Folge wird erstmals im Schwarzwald ermittelt. Nach dem Ende des Bodensee-„Tatorts“im Dezember 2016, dessen Konstanzer Ermittlerduo Klara Blum und Kai Perlmann (Eva Mattes und Sebastian Bezzel) auch mit den Schweizer Kollegen zusammengearbeitet hat, füllt das neue Freiburger Duo die Lücke.
Tobler und Berg sind das dritte Polizistenpaar des Südwestrundfunks (SWR) neben den urbanen Teams: In Stuttgart spielen Richy Müller und Felix Klare alias Thorsten Lannert und Sebastian Bootz; in Ludwigshafen Ulrike Folkerts und Andreas Hoppe als Lena Odenthal und Mario Kopper. Wobei letzterer seinen Abschied im Frühjahr angekündigt hat und 2018 letztmals als Ermittler zu sehen sein wird.
Man muss kein Hellseher sein, um den beiden Neuen Erfolg zu prophezeien. Löbau und Wagner sind exzellente Mimen, die sich in den verschiedensten Rollen einen Namen gemacht haben. Für das „Tatort“-Publikum strahlen sie frischen Charme aus, Tobler und Berg aber arbeiten in Freiburg schon seit Jahren zusammen, sind ein eingespieltes Team.
Wie Eva Löbau in einem Interview erzählte, kennt man sich auch privat schon eine ganze Weile über gemeinsame Freunde und habe in der Vorbereitung des Films einen „gelassenen humorvollen Umgang“entwickelt. Die beiden können gut miteinander, auch im „Tatort“.
Dafür, dass es nicht zu harmonisch wird und kleine Spannungen bleiben, sorgten schon „unsere unterschiedlichen Körpergrößen“, meint Löbau treffend. Wagner ist ein Bär von einem Mann und wiegt bestimmt doppelt so viel wie Löbau.
Klar, dass Tobler für die weiblichen Tugenden wie Einfühlsamkeit und Fingerspitzengefühl zuständig ist. „Die richtige Mischung aus Anteilnahme und Professionalität zu finden“– ein nach eigener Aussage „durchgehendes Thema beim ersten Dreh“–, gelingt ihr überzeugend.
Berg dagegen geht schon mal der Gaul durch. Wie Wagner im Interview verraten hat, ist seine Figur mit einem „sehr starken Unrechtsbewusstsein“ausgestattet und hat „ein gewisses Problem mit Autoritäten“. Das macht auch vor der direkten Vorgesetzten nicht halt. Steffi Kühnert spielt die Rolle der Cornelia Harms, und es gibt eigentlich keinen Grund, über diese Besetzung zu lamentieren. Außer dass man halt schon gern „Dirty Harry“Harald Schmidt in der geplanten Rolle des Gernot Schöllhammer gesehen hätte. Aber der frühere Late-Night-Unterhalter hat ja leider abgesagt. Kurzfristig, aus nie näher erläuterten „persönlichen Gründen“. Schade. Der gebürtige Waiblinger hätte perfekt zu diesem Team gepasst.
Rollen sehr sorgfältig besetzt
Doch auch Löbau und Wagner können Lokalkolorit authentisch rüberbringen. Wie Schmidt haben sie zwar keine badischen, aber immerhin schwäbische Wurzeln – das wird dem Schwarzwald-„Tatort“helfen. Die Österreicherin Löbau wurde in Waiblingen geboren, Wagner ist in Gönningen bei Reutlingen aufgewachsen.
Alle Rollen in diesem Film sind sehr sorgfältig besetzt. Insbesondere Godehard Giese glänzt mit seiner eindringlichen Darstellung des Jens Reutter, dem vom brutalen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfenen Vater des Opfers. In erster Linie geht es in diesem Krimidrama um die Beziehungen zwischen den Beteiligten. Die Auflösung des Falls spielt eine untergeordnete Rolle, zumal früh auf der Hand liegt, was sich da abgespielt hat im Wald. Wie die befreundeten Ehepaare, deren Kinder dort gemeinsam unterwegs waren, sich entfremden, wie das Misstrauen einsickert, wie Zwietracht die vormalige Idylle vergiftet und sich zunehmend tiefe Melancholie breitmacht, das haben Drehbuchautor Bernd Lange und Regisseur Robert Thalheim sehr schön herausgearbeitet. Die angerissenen Themen Sportschützenwesen, Waffenlobby und Rüstungsindustrie dagegen sind nur Vehikel. Ein 90-minütiger „Tatort“ist eben kein Dokumentarfilm. Für einen Krimi reicht die Erkenntnis: Mit den Waffen ist es ähnlich wie mit der Liebe zum Auto – was vielen Spaß macht, bringt anderen den Tod.
Dass Grimme-Preisträger Robert Thaldorf mit seinem ersten „Tatort“ein glückliches Händchen hatte, zeigte sich übrigens schon am ersten Drehtag. Während bei der Planung noch alles grün war rund um den Drehort Bernau in der Nähe des Schluchsees, entstanden die ersten Bilder dann bei 50 Zentimeter Neuschnee. „Ein großes Geschenk für den Film“, meint Thalheim. So präsentiert sich der vormals dunkle Tann als Winteridyll mit Schneetreiben – bis der Horror Einzug hält.
Der Schwarzwald ist schließlich der Star in diesem Film – genau so war es geplant.
Tatort: Goldbach. ARD, Sonntag, 1. Oktober, 20.15 Uhr