Schwäbische Zeitung (Biberach)
Beifall und Hassmails
Friedrichstadt-Intendant Schmidt bekommt nach Kritik an der AfD Morddrohungen
BERLIN (dpa) - Mit seinem Brandbrief gegen AfD-Wähler hat der Intendant des Friedrichstadtpalastes, Berndt Schmidt, heftigen Protest ausgelöst. Er habe in den vergangenen Tagen etwa 250 Hassmails teils mit Morddrohungen erhalten, sagte Schmidt der Deutschen PresseAgentur. Vor der Vorstellung am Samstagnachmittag richtete der Intendant sich an das Publikum und bekam viel Applaus für seine Haltung.
Wenige Stunden später, kurz vor der Abendvorstellung, habe es eine Bombendrohung gegeben. Die etwa 1700 Gäste mussten das Gebäude verlassen. Die Show habe mit einer Stunde Verspätung begonnen, sagte ein Sprecher des Revuetheaters am Sonntag. Das Ensemble habe sich entschlossen, sich von der Drohung nicht einschüchtern zu lassen. Dafür habe es vom Publikum Unterstützung gegeben. Viel Beifall hatte zuvor Intendant Schmidt von den Zuschauern erhalten mit seiner Ansprache. Dabei sagte er, dass er sich in Zukunft noch mehr als zuvor von der AfD abgrenzen wolle.
Abgrenzen heiße aber nicht ausgrenzen, so Schmidt. Er hieß auch AfD-Wähler ausdrücklich willkommen. „Doch hoffentlich fühlen Sie sich komisch, wenn Sie gleich sehen, was entstehen kann, wenn ein Ensemble aus 25 verschiedenen Nationen, mit allen Hautfarben, aus Christen, Muslimen, Juden und Atheisten, aus Hetero- und Homosexuellen, von Menschen mit und ohne Behinderungen friedlich zusammenarbeitet.“
Als „West-Arschloch“beschimpft
Die AfD sei in Teilen eine demokratische Partei mit legitimen Anliegen. Sie müsse sich aber von den Teilen abgrenzen, die Hass auf alles schürten, was nicht deutsch ist oder nicht deutsch aussieht, sagte Schmidt, der unter anderem Geschäftsführer war des König-Ludwig-Musicals in Füssen und des Musical-Konzerns Stage Entertainment in Stuttgart. Diesen Hass müssten auch viele Menschen ausbaden, die in seinem Haus arbeiten. Das Publikum applaudierte, Proteste gegen die Rede gab es nicht.
Im Gespräch mit der Berliner Zeitung sagte Schmidt, der aus Bruchsal stammt, dass Anhänger der Partei nun „E-Mails als Bestrafungsinstrument“gegen ihn einsetzen würden. Er werde als „West-Arschloch“und „Nazi“beschimpft.
Unter den Gästen waren auch Anhänger der AfD, die ihre Karte von der Partei geschenkt bekommen hatten. Die Berliner AfD hatte als Reaktion auf die Kritik von Schmidt zehn Tickets für die Vorführung „The One Grand Show“verlost. Voraussetzung sei gewesen, dass die Bewerber bekennende AfD-Wähler seien, sagte Parteisprecher Roland Gläser dem „Tagesspiegel“.
Gläser kam am Samstag selbst zu der Show. „Wir kommen nicht, um Krawall zu machen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir wollen zeigen, dass wir uns das Denken nicht von einem politisch korrekten Intendanten abnehmen lassen.“Vor der Aufführung trafen Gläser und Schmidt kurz im Foyer des Palastes aufeinander, tauschten Telefonnummern aus und vereinbarten ein Gespräch.
Schmidt hatte in einem Brief an die Mitarbeiter geschrieben, das Theater werde sich künftig noch deutlicher als bisher von 20 oder 25 Prozent der potenziellen Kunden im Osten abgrenzen. „Ich will all deren Geld nicht“, schrieb er in dem Brief. Der Palast sei eine bedeutende Kulturinstitution im Osten, daraus entstehe auch eine besondere Verantwortung, begründete er seine Äußerungen.
Aus Sicht von Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) handelt es sich um eine legitime Form der Meinungsäußerung. Zivilcourage in Kulturinstitutionen sei wichtig, so der Senator.
In den eigenen Reihen stoße Schmidt jedoch nicht nur auf Zustimmung, wie ein Musicaldarsteller der dpa sagte. Zudem gebe es eine Onlinepetition, die die Absetzung des Intendanten zum Ziel habe. Unterzeichnet hatten diese am Sonntagnachmittag mehr als 60 Personen, wie im Internet zu sehen war.