Schwäbische Zeitung (Biberach)
Daimler verändert Ungarn
Autobauer investiert ab 2018 eine Milliarde Euro
KECSKEMET - Eine Umgehungsstraße von der neu gebauten Autobahnabfahrt zum Werkstor, eine zweite Stromleitung, die ein Jahr vor Plan fertig wird, ein eigens reaktivierter Flughafen: BadenWürttembergs Europaminister
Guido Wolf
(CDU) hat sich am Mittwoch im ungarischen
Kecskemet ein
Bild davon machen können, wie willkommen
Daimler dort ist – und wie einfach manches geht, was in der Heimat des Autobauers so nicht funktioniert.
Auf seiner zweitägigen Ungarnreise besuchte Wolf das MercedesWerk rund 90 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Budapest. Seit 2012 laufen dort drei Modelle vom Band: die B-Klasse, CLA und CLA Shooting Brake. 190 000 Autos rollen dort jährlich aus dem Werk, bis 2016 investierte Daimler 1,3 Milliarden Euro.
Eine Milliarde Euro für eine neue Fabrik
Und es soll noch mehr werden. Ab Herbst 2018 bauen die Stuttgarter eine zweite Produktionsstätte für eine Milliarde Euro. Wenn es 2020 planmäßig in Betrieb geht, hofft Werksleiter Christian Wolff auf die erste Flugverbindung von Stuttgart nach Kecskemet. Gemeinsam mit nationalen und regionalen Politikern treibt Mercedes die Entwicklung der Infrastruktur voran. Unter anderem soll ein Militärflughafen für den Linienverkehr genutzt werden. „Wir gestalten die Region mit“, sagt Wolff.
So entwickelt Daimler mit Kommunalpolitikern ein Programm, um neue Wohnungen zu bauen. Denn wenn die Produktion im zweiten Werk 2020 anläuft, sollen dort und bei den ungarischen Zulieferern in der Region weitere 5000 neue Jobs entstehen. „Hier ist manches einfacher als in Deutschland“, sagt der Standortchef Wolff. Dazu gehört auch, dass Daimler in Kecskemet eine Fläche so groß wie 618 Fußballfelder gekauft hat – nur ein Siebtel sind bislang bebaut. Ein klarer Vorteil, wenn es um die Ansiedlung einer neuer Produktion geht. Ein wesentlicher Faktor sind die Löhne. In Ungarn verdienen Mitarbeiter etwa ein Drittel von dem, was in Deutschland gezahlt wird.
Rasche Verwaltungsentscheidungen, niedrige Löhne, am Standort ausgebildete Fachkräfte – das klingt nach besten Rahmenbedingungen. „Die Dimension der Investitionen hier lässt schon aufhorchen“, so Minister Wolf. „Man muss jetzt nicht erschrecken, Baden-Württemberg wird mit seinem Know-how ein wichtiger Standort bleiben. Dennoch ist der Wettbewerb um Produktionsstätten entbrannt, und daraus müssen wir Konsequenzen ziehen.“
Dazu gehöre, dass Verwaltungen rascher arbeiten, Entscheidungen schneller fallen. „Wenn wir es nicht schaffen, Verfahren zu beschleunigen, tun es andere“, mahnt Wolf. Nur so könne Baden-Württemberg als Standort attraktiv bleiben.
Aber einen erheblichen Standortnachteil sieht der Europaminister. Gerade beim Thema Rechtsstaatlichkeit hat die Regierung des nationalkonservativen Premiers Viktor Orbán bekanntlich erhebliche Defizite. „Doch diese gehört auch zur Kalkulierbarkeit eines Standorts“, so der Minister.