Schwäbische Zeitung (Biberach)
Eine neue Chance für Europa
Die geplante gemeinsame EUVerteidigungspolitik mit dem sperrigen Namen Pesco weckt große Hoffnungen. Nicht nur, weil sich damit wirklich Geld sparen und eine größere Unabhängigkeit von Donald Trumps außenpolitischen Volten erreichen lässt. Sondern auch, weil sie den Europäern das große einigende Thema geben könnte, das die so dringend brauchen. Die anderen großen Aufgaben der Europäischen Union, vor allem die Migrationspolitik, führen eher zu mehr Streit als dass sie Ost und West, Nord und Süd enger zusammenschweißen würden.
Verteidigungsfähigkeit gegen Feinde von außen, vor allem gegen den gefürchteten und misstrauisch beäugten Nachbarn Russland, lag den Osteuropäern bei ihren Beitritten zu den westlichen Bündnissen deutlich näher am Herzen als andere Bereiche der Gemeinschaftspolitik. Solange sie in den USA noch die Garantiemacht dafür sahen, dass Russland nicht ungestraft ihre nationale Integrität verletzen könnte, war ihnen das Nato-Bündnis deutlich wichtiger als der Umwelt- und Verbraucherschutzverein EU.
Das könnte sich nun ändern. Sogar in Polen und Ungarn hat man inzwischen gemerkt, dass auf die ständig wechselnden Sprüche des USPräsidenten Trump kein Verlass ist. Das fördert die Bereitschaft, sich der ungeliebten EU wieder mehr zuzuwenden. Es könnte mittelfristig sogar die proeuropäischen Parteien in diesen Ländern wieder stärken und damit das Konfliktpotenzial bei Themen wie Pressefreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und neuen Gesetzesvorschlägen aus Brüssel aus der Welt schaffen.
Diese Möglichkeit besteht allerdings nur dann, wenn Pesco keine leere Hülle bleibt und die Mitgliedsstaaten diesmal den Worten Taten folgen lassen. Das heißt: gemeinsame Rüstungsprojekte statt nationaler Alleingänge, keine Doppelstrukturen und doppelten Anschaffungen mehr, um die heimische Industrie mit Aufträgen zu versorgen. Erst wenn sich hier sichtbar etwas ändert, kann ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl in der EU wachsen.